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Talent und Charakter

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Zu den beiden Aufsätzen von Dr. Ehrmann über die Lehrerbildung (siehe „Die Furche“, Nr. 43 und 45) sind uns eine Reihe ergänzender Zuschriften zugegangen, von denen uns die untenstehende, schon mit Rücksicht auf die berufliche Stellung des Verfassers, bemerkenswert erscheint.Die Furche

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Zu den beiden Aufsätzen von Dr. Ehrmann über die Lehrerbildung (siehe „Die Furche“, Nr. 43 und 45) sind uns eine Reihe ergänzender Zuschriften zugegangen, von denen uns die untenstehende, schon mit Rücksicht auf die berufliche Stellung des Verfassers, bemerkenswert erscheint.Die Furche

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Nimmt man die Ausbildung des Pflichtschullehrers, so wie sie heute ist, unter die Lupe, so kann man gewisse Unterschiede gegenüber anderen Berufen feststellen. Die Dauer der reinen Mittelschulausbildung ist bereits um ein Jahr länger als die der übrigen Mittelschüler. Darüber hinaus muß der auf eine Dauerstellung hinzielende Lehrer noch die Lehrbefähigungs-prüfung für die Volksschulen bzw. für die Hauptschulen ablegen. Dies kostet ihn zeitlich entsprechend den bestehenden Vorschriften mindest weitere zwei bis vier Jahre (vier bis acht Semester) mehr oder weniger intensiven Studiums neben seinem Beruf. Dazu muß bemerkt werden, daß insbesondere die Hauptschulprüfung große Anforderungen auch an das rein formale Wissen stellt und in ihrer Strenge einem Rigo-rosum auf der Universität nahekommt. Obwohl also der Hauptschullehrer gegenüber dem Realschüler oder Gymnasiasten, der nach der Matura eine Stellung im Wirtschaftsleben antritt, um mindest fünf Jahre länger studiert hat, gilt er dennoch schlechthin als „Mittelschulabgänger“. Daß er natürlich in seinem Wissen und Können tatsächlich weit darüber hinausgekommen ist, ist nur ein schwacher Trost.

Es besteht meines Wissens Einstimmigkeit darüber, daß die jetzige Lehrerausbildung mindestens um ein Jahr verlängert werden soll. Vielleicht werden es im Laufe der Zeit sogar zwei oder mehr Jahre werden. Dies liegt in der Zeit begründet, die sowohl stofflich als auch in den Disziplinen der Psychologie, Sozialhygiene, Heilpädagogik usw. vermehrte Anforderungen stellt. Es ergibt sich nun die Frage, ob man es tatsächlich vor dem großen Stand der Pflicht-schullehrer und ihrer kommenden Generation verantworten kann, die Lehrerausbildung zu vertiefen und zu verbreitern, ohne dieser vermehrten Ausbildung auch die entsprechende Quittung durch die zukommenden Zeugnisse und Diplome zu geben. Es erscheint doch einfach unmöglich, dann immer noch von einer Mittelschulprüfung zu sprechen, und man wird nicht darüber hinwegkommen, von einer gewissen Grenze an die Lehrerbildung sowohl in ihrem Wert als auch in der Art ihres Betriebes als hochschulmäßig zu deklarieren. Es geht hier fürs erste noch gar nicht um Einzelheiten, sondern nur um grundsätzliche Erwägungen. Auch die Bestrebungen um die materielle Besserstellung des Lehrberufes haben, hier ihre entscheidenden Voraussetzungen.

Es ist klar, daß unsere wertvollen katholischen Lehrerbildungs-anstalten, unter welchem Titel auch immer, erhalten bleiben müssen. Schon deswegen, weil wir es uns gar nicht leisten können, so viele und bestens geführte Lehranstalten mutwillig aufzulösen und durch wenigstens gleich gute zu ersetzen. Auch der sozialistische Verhandlungspartner ist sich zumindest in einigen seiner Mitglieder bewußt, daß die Auflösung dieser Lehranstalten . nicht nur unzumutbar für die Katholiken wäre, sondern auch unserem Mittelschulwesen einen schweren Schlag versetzen würde.

Trotz dieser grundsätzlichen Einstellung wäre es aber doch verkehrt, jede Weiterentwicklung der Lehrerbildung nur aus dieser Blickrichtung zu betrachten. Vor allem muß man sich wohl vor Uebertreibungen hüten, als wäre die konfessionelle Anstalt der todsichere Produzent Von echt katholischen Lehrkräften.

Wenn im kleinen Kreis darauf die. Rede kommt, schwirren sofort eine Unmenge Namen durch-rhvfty“Me' beweisen,--daß-* Abgänger konfessioneller. Lehranstalten gat nicht so sei--ten in das sogenannte „gegnerische Läger“ hinüber gewechselt sind. Umgekehrt sind hervorragende Männer und Frauen des katholischen Lebens aus staatlichen Schulen hervorgegangen1 und gerade das Kämpfen und Bekennenmüssen von Anfang an hat sie besonders geformt. Alles hat eben seine Licht- und Schattenseiten.

Jedenfalls können gewisse Nachteile, die ein hochschulmäßiger Betrieb mit sich bringt, sicherlich wieder durch andere organisatorische Maßnahmen ausgeglichen werden: Die Verpflichtung zu seminaristischen Uebungen, der nachgewiesene Besuch von Landschulwochen und praktisch-methodischen Uebungsstätten, der Nachweis musischer Arbeit und Leistung u. a. werden speziell beim Pflichtschullehrer gerade bei einer Verlängerung seiner Ausbildung besonders zu betonen sein.

Der Vorschlag einer Volksbefragung zur Reform der Lehrerbildung erscheint reichlich problematisch. Sollen wirklich über eine so wichtige Sache Nichtfachleute entscheiden? Im übrigen ist auch gar nicht einzusehen, warum ein Volksentscheid besser sein sollte als die Entscheidung der gesetzgebenden Versammlung, die ohnehin vom Volk gewählt ist, die aber für ihre Entscheidung die Möglichkeit der B e-ratung durch .Fachleute und der Vorarbeit von Unterausschüssen hat. Es gibt sehr ehrenwerte Personen des praktischen Lebens, denen „vor einem Büchl graust“, und wenn man die Menschen des Alltags immer entscheiden ließe, was sie für gut halten, könnte“ man über die geäußerten Meinungen seine blauen Wunder erleben. So geht es also auf keinen Fall.

Unsere dringlichste Aufgabe wird darin bestehen, ohne Rücksicht auf Stand und Geld d i e wahren pädagogischen Begabungen zu finden und auszubilden, und gerade um dieser Aufgabe willen wird man für Maturanten anderer Mittelschulen immer noch einen Ausnahmeweg zum Lehrberuf offen lassen müssen. Zum pädagogischen Talent, das von Natur gegeben ist, soll dann entsprechend dem notwendigen Charakter der Fleiß, die Geduld und Mühe einer exakten Ausbildung treten. Hier den besten Weg für die Zukunft zu finden, ist wahrlich der Mühe unserer Besten wert.

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