Trübe Zukunftsaussichten für Mediziner

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Die Arbeitsmarktsituation für angehende Ärzte ist trist - und es wird in Zukunft, so das Ergebnis einer neuen Studie, wohl kaum besser werden.

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Die Arbeitsmarktsituation für angehende Ärzte ist trist - und es wird in Zukunft, so das Ergebnis einer neuen Studie, wohl kaum besser werden.

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Kurz vor Beginn des laufenden Studienjahres warnte der Präsident der Ärztekammer Steiermark, Wolfgang Routil, alle Maturanten eindringlich davor, Medizin zu studieren. Diejenigen, die Routils Rat in den Wind geschlagen haben, sind potentielle Kandidaten fürs Arbeitsamt, denn die statistischen Zahlen machen die Medizinerkarriere nur mehr im Arztroman erstrebenswert.

Wer trotz aller Kassandrarufe mit dem Medizinstudium im laufenden Studienjahr begonnen hat, muß laut Schätzung der Ärztekammer Wien damit rechnen, voraussichtlich erst in 15 Jahren eigenverantwortlich den Beruf des Arztes auszuüben. 2.050 promovierte Mediziner warten in Wien derzeit auf einen Turnusplatz, in den anderen Bundesländern sind es rund 1.000. Sie hängen oft bis zu drei Jahren in der Warteschleife, um endlich ihre Ausbildung zum Arzt fortzusetzen. Aber auch nach absolviertem Turnus ist die Lage nicht gerade rosig: 1.850 Ärzte haben sich selbständig gemacht, bekommen aber keinen Kassenvertrag.

Trotz der trüben Zukunftsaussichten ist die Attraktivität desMedizinstudiums ungebrochen. Zur Zeit tummeln sich 11.376 Medizinstudenten an der Wiener medizinischen Fakultät. Das sind mehr als an den US-amerikanischen Universitäten Harvard, Stanford und Los Angeles zusammengenommen unterrichtet werden. Auf die Einwohnerzahl umgelegt, gibt es in Österreich vier Mal so viele Medizinstudenten wie in den USA. Die Studie "Ärztliche Versorgung in Österreich 1995-2015" des Österreichischen Bundesinstitutes für Gesundheits-wesen (ÖBIG) prognostiziert für das Jahr 2015 bei gleichbleibendem Trend eine Zahl von 42.874 Ärzten mit Berufsberechtigung. Den gesamten Ärztebedarf schätzen die Verfasser der Studie aber nur auf 23.695.

Die Konsequenz: "Daraus resultiert eine Differenz zwischen dem prognostizierten Ärzteangebot und dem Ärztebedarf im Ausmaß von rund 19.000 Ärzten am Ende des Prognosezeitraums, aus der sich ein dringlicher Handlungsbedarf ergibt." Die Herstellung eines Gleichgewichtes zwischen Angebot und Nachfrage, müsse zu einer deutlichen Reduktion der Turnusstellen führen. Rezept gegen die Überproduktion von Medizinern gibt es bisher keines, zumal ein Numerus Clausus einhellig abgelehnt wird. Überlegt wird eine sogenannte "Studieneingangsphase".

An der Universität Innsbruck will Rektor Universitätsprofessor Hans Moser diese ab 2002 einführen, um den Studenten die Möglichkeit zu geben, die gewählte Ausbildung zwei bis drei Semester lang zu "beschnuppern". Innsbruck verzeichnete im vergangenen Wintersemester mit rund 700 Neuzugängen den höchsten Zuwachs an Medizinstudenten, den es, so Moser, "je gegeben hat". Für die insgesamt 3.950 angehenden Mediziner dürfte sich das Studium aufgrund des Platzmangels bei den Praktika nun verzögern. "Die Lage ist trist", meinte Martina Platzer, zuständige Referentin der Wiener Ärztekammer für arbeitslose Jungmediziner im Fachmagazin für Ärzte, dem "CliniCum". Besserung sei keine in Sicht, denn bei gleichbleibendem Stellenangebot in den Spitälern würden die Wartezeiten immer länger. Und da die Lage so schlecht ist, hat die Wiener Ärztekammer zusätzlich zum Referat für arbeitslose Jungmediziner noch ein Referat für Mediziner mit Berufsberechtigung eingeführt. Platzer bemüht sich indessen tapfer die Jungmediziner zu beraten und ihnen Praktikums-plätze in Pharmaunternehmen oder eine Mitarbeit bei einem Forschungsprojekt zu vermitteln.

Kein Ersatz für Turnus Auch Auslandsaufenthalte von Jungmedizinern werden von ihr eingefädelt. Der Haken an der Sache: "Auslandsaufenthalte sind während der Facharztausbildung sehr hilfreich, als Ersatz für den Turnus in Österreich gelten sie aber nicht." In ihren Beratungen weist sie auch auf die Möglichkeit einer postgraduellen Ausbildung hin.

Allerdings kann sie nur selten jemanden dafür begeistern, denn postgraduelle Universitätslehrgänge sind zumeist sehr teuer. Aber nicht nur Mediziner leiden, ein absolviertes Studium sichert auch in anderen Sparten laut einer Studie des "Institutes für Bildungsforschung der Wirtschaft" (ibw) nicht unbedingt eine steile Karriere. Untersucht wurde der Berufseinstieg von Hochschulabsolventen seit dem Jahr 1981.

Die ibw-Studie teilt die Hochschulabsolventen je nach dem Verlauf ihrer beruflichen Entwicklung in "Loser", "Mover" und "Main Streamer" ein. Letztere üben einen Beruf aus, der auch im Zusammenhang mit ihrem Studium steht. Vor allem Veterinäre, Pharmazeuten, Theologen und Mediziner - also die professionalisierten Akademikerberufe - ge-hören zu den Main Streamern. Mover sind zwar in fachfremden Berufen untergekommen, haben aber zumindest eine Akademikerposition inne, beispielsweise als Geschäftsführer eines Unternehmens.

Die Loser fristen ihr berufliches Dasein mit einem Job, den auch ein Nichtakademiker erledigen kann. In derartigen Stellungen warten sie zumeist auf ein Mainstream-Angebot. Die Gruppe der Mover hingegen nimmt laufend zu, da das Angebot der Mainstream-Karrieren schrumpft. Schlugen 1981 noch 82 Prozent der Universitätsabsolventen die Mainstream-Laufbahn ein, so haben derzeit nur noch 76 Prozent die Chance dazu. Loser waren 1981 noch 9,4 Prozent, 1991 bereits elf Prozent der Universitätsabsolventen. Die Hochrechnung für 1999 liegt laut ibw bei rund 12,2 Prozent.

Die Studie kommt zu dem Schluß, daß der Arbeitsmarkt für Akademiker vor einer tiefgreifenden Veränderung steht. Diese Veränderungen werden den Bedarf nach neuen Beratungs- und Weiterbildungsangeboten für jene Akademiker steigen lassen, die fachfremd arbeiten wollen oder müssen.

Der Autor ist Chef vom Dienst beim "Clinicum".

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