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Über Dinge reden, die man nie besprochen hätte

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Partnerschaftsforschungen zeigen: eine glückliche Reziehung hängt an der Gesprächsfähigkeit der Partner. Ein Partnerschaftliches Lernprogramm (EPL) hilft jungen Paaren mit einem Kommunikationstraining, diese - scheinbar so simple - Erkenntnis in die Praxis umzusetzen.

„Ich hätte mir gewünscht, daß wir nach dem Training ganz anders gestritten hätten als vorher. Das war leider nicht der Fall", meint schmunzelnd Reinhard R., der mit seiner Freundin, in der Zwischenzeit Ehefrau, am EPL teilgenommen hat. Beide sind sich einig: „Das Programm wirkt keine Wunder, doch für die Gesprächskultur war es ein wichtiger Anstoß". Boswitha R.: „Als ich zufällig davon gehört habe, habe ich gespürt, das brauchen wir. Denn bei vielen Gesprächen sind wir rasch an eine Grenze gekommen."

Diese Erfahrung machen viele Paare. Und die Soziologen wissen: Ehen scheitern nicht an unterschiedlichen Einstellungen der Partner, an familiären oder finanziellen Problemen, sondern an der Unfähigkeit der Paare, miteinander zu reden.

In dieser Erkenntnis gründet EPL und bietet jungen Paaren ein Gesprächstraining an. Es richtet sich an junge Menschen in den ersten fünf

Beziehungsjahren, an Paare, die sich auf die Ehe vorbereiten und an Jungverheiratete. „EPL nutzt den Schwung der jungen Beziehung, um etwas einzuüben, wofür man später in Krisenfällen den Therapeuten braucht", erklärt Trainerin Josefine Handl den vorbeugenden Charakter des Trainings. „Die negativen Gesprächsmuster sitzen in dieser Zeit noch nicht so tief und lassen sich noch ändern ", ergänzt ihr Mann Engelbert. Beide, seit Jahren in der kirchlichen Ehevorbereitung tätig, haben 1993 die erste Ausbildung für EPL-Trainer in Osterreich mitgemacht und seitdem mehrere Kurse begleitet.

„Beim Training durften wir erst einen weiterführenden Gedanken aussprechen, wenn wir zuvor die Aussage des Partners sinngemäß zusammengefaßt hatten", erinnert sich Reinhard R. an die „Wiederholung", eine wichtige Gesprächsregel, die zu praktizieren ihm gar nicht leicht gefallen ist.

In den ersten drei von insgesamt sechs Sitzungen zu je zweieinhalb Stunden lernen die Paare das Handwerkszeug des Gesprächs: sich klar und eindeutig ausdrücken, richtig hinhören, eigene Gefühle wahrnehmen und dem anderen auch mitteilen, sowie Probleme und Meinungsverschiedenheiten konstruktiv zu lösen. Doch nicht das Kennenlernen der Gesprächsregeln, die ja in jedem Ruch für Kommunikation nachzulesen sind, sondern das Üben ist am EPL entscheidend. „Anfangs sprechen die Paare über ein ganz belangloses Thema. Zum Beispiel: Was würde ich mit einem Lottogewinn von 100.000

Schilling machen? Wichtig ist nur, daß sie die Gesprächsregeln strikt einhalten", erklärt Engelbert Handl den Einstieg. Schmunzeln zu Beginn die Teilnehmer über diese streng reglementierte Art, miteinander zu reden, entdecken sie plötzlich, wie rasch ihre Gespräche - selbst bei Allerweltsthe-men - tiefer werden. Handl: „In den allermeisten Fällen erfahren die Partner Neues voneinander. Es wird auf einfache Weise die Lust am Mitein-ander-Reden gestärkt."

Die Einheit über Konfliktlösungen haben Reinhard und Roswitha besonders gut in Erinnerung. So wie sie damals die Aufteilung der Hausarbeit geklärt haben, halten sie es noch heute. Reinhard schränkt ein: „Zumeist. Aber gerade in diesem Punkt haben wir gemerkt, daß wir mit den Regeln des EPL weiter kommen, als mit denen, die wir bisher gewohnt waren."

Ein Trainer begleitet jeweils nur zwei Paare, kontrolliert ihre Gesprächsübungen, unterbricht bei Regelverstößen und verstärkt gelungene Passagen der Kommunikation. „Daß der Trainer bei uns gesessen ist, hat uns nicht gestört, sondern - im Gegenteil - Sicherheit gegeben", erklären Roswitha und Reinhard übereinstimmend die ungewohnte - weil beobachtete - Situation. Für Josefine Handl ist die Verschwiegenheit als Trainerin selbstverständlich und sie stellt klar: „Als oberstes Gebot gilt: den Paaren zu helfen, die Fertigkeiten des Gesprächs zu lernen, aber nicht inhaltlich einzugreifen."

Die erlernten Fähigkeiten setzen die Partner ein, urn von der vierten bis zur sechsten Einheit über wichtige Bereiche ihrer Beziehung zu sprechen: Erwartungen an die Partnerschaft, Gestaltung von Intimität, Sexualität und Bedeutung der kirchlichen Trauung und christlich gelebter Ehe. Das Trainerpaar Handl merkt bei jedem Kurs, „wie schnell die Paare durch die vorangegangenen Gesprächsübungen bei den inhaltlichen Themen auf den Punkt kommen'. „Wir haben besprochen, was wir jii^ beredet hätten", fassen Roswitha und Reinhard zusammen.

In München durchgeführte wissenschaftliche Begleituntersuchun -gen an 175 Paaren bescheinigen dem EPL hohe Effektivität. Die Diplom-Psychologen Franz Thurmaier und Joachim Engl vom Institut für Forschung und Ausbildung in Kommunikationstherapie: „EPL-Paare sind durch ihren offeneren Dialog problembewußter, in Schwierigkeiten daher für Krisensituationen besser ge ■ wappnet. Deutlichstes Indiz ist die signifikant höhere Scheidungsrat^ der Kontrollgruppe." Trennten sich fünf Jahre nach dem Training 3J9 Prozent der EPL-Paare, waren es be. der Kontrollgruppe 23,8 Prozent.

Im Unterschied zu Bayern gehört EPL in Osterreich noch zu einen. Minderheitenprogramm. Vielleich; auch wegen der rund 1.500 Schilling; Kurskosten pro Paar - trotz Unter Stützung durch kirchliche und öffent liehe Stellen. Für Engelbert Handl is. EPL eine wichtige Ergänzung zu der verschiedenen Formen der Ehevorbe reitung, die in manchen Diözeser Osterreich auch als kirchlicher „Ehe kurs" anerkannt wird.

Informationen über EPL

in Österreich- Dr. Luitgard Der-schmidt, Kapitelplatz 6, 5020 Salzburg, Tel.- 0662/8047-546, Fax: 0662/840442. Literatur: Wie redest du mit mir? Möglichkeiten und Fehler in der Padrkom-munikation. Von Joachim Engl und Franz Thurmaier. Herder Verlag.

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