Universität, quo vadis?

Werbung
Werbung
Werbung

Die heimischen Universitäten schaffen es derzeit wieder ungewöhnlich oft in die Schlagzeilen: Nachdem im Zuge der laufenden Koalitionsverhandlungen über Sparpakete und sogar die Auflösung des Wissenschaftsministeriums spekuliert wurde, äußerten zahlreiche Spitzenforscher ihre Sorge über das "Wissenschaftsland Österreich“. Die führenden Forschungsorganisationen fordern nun von der künftigen Bundesregierung einen "Zukunftspakt für Wissenschaft“, in dem ein mehrjähriger Finanzierungsplan für die Grundlagenforschung garantiert ist.

"Wir müssen verhindern, dass Österreich zu einem Auswanderungsland der Wissenschaft wird; es wäre schön, wenn wir ein Einwanderungsland würden“, sagte der Quantenphysiker Anton Zeilinger, der als Präsident der Akademie der Wissenschaften von der Regierung verbindliche Ziele "per anno“ fordert. Konkret wünschte sich Zeilinger eine jährliche Steigerung der Mittel um mindestens 10 Prozent respektive 180 Millionen Euro. "Wir haben die Chance, eines der innovativsten Länder der Welt zu werden.“

Akademisierung als Dogma?

Die Zukunft der Universitäten und ihre Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung standen kürzlich auch beim 18. Wiener Kulturkongress an der Diplomatischen Akademie Wien zur Debatte, der sich aus vielfältigen Perspektiven mit dem Bildungssystem auseinandersetzte. Der deutsche Bildungsforscher Rainer Bölling etwa kritisierte das "Akademisierungsdogma“ der OECD, die angesichts niedriger Absolventenquoten im deutschsprachigen Raum vor einem wohlstandsgefährdenden Mangel an Hochqualifizierten gewarnt hatte. Die europäische Bildungspolitik folge dem Dogma der OECD allzu unkritisch, so Bölling: "Die Politiker des Kontinents scheinen sich zu einer unheiligen Jagd nach immer höheren Quoten an Abiturienten- und Hochschulabsolventen verbündet zu haben.“ Die EU strebt bis zum Jahr 2020 Hochschulabschlüsse für 40 Prozent eines Jahrgangs an, was gegenüber heute fast eine Verdoppelung der Quote bedeuten würde - eine Marke, die auch das österreichische "Volksbegehren Bildungsinitiative“ übernommen hat.

Beinharte Desillusionierung

Zur Veranschaulichung seiner Thesen führte der Bildungsforscher Daten aus EU-Staaten ins Treffen: So weisen gerade die krisengeschüttelten südeuropäischen Länder hohe schulische und akademische Abschlussquoten, aber ein geringeres Pro-Kopf-Einkommen und eine deutlich höhere Jugendarbeitslosigkeit auf als Länder mit geringeren Akademiker-Quoten. "Das ist nicht erst eine Folge der Krise im Euro-Raum, sondern war schon Jahre vorher zu beobachten“, betonte Bölling.

In Frankreich etwa habe sich seit den 1970er-Jahren gezeigt, dass die Verlängerung der Ausbildung mit steigender Jugendarbeitslosigkeit einherging. In Italien, wo gesunkene Anforderungen bei der Reifeprüfung zu einem starken Anstieg der Maturanten-Quote geführt hatten, prägen überfüllte Universitäten und hohe Akademikerarbeitslosigkeit das Bild. In den letzten Jahren stieg die Jugendarbeitslosigkeit auf ein Rekord-Hoch von 40 Prozent, wobei 400.000 Hochschulabsolventen Italien den Rücken kehrten.

In Spanien und Griechenland, in denen derzeit 65 bis 70 Prozent eines Jahrgangs die Studienberechtigung erwerben, hat die Jugendarbeitslosigkeit mit 56 bzw. 61 Prozent die höchsten Werte in Europa erreicht. Viele Uni-Absolventen aus diesen Ländern werden heute beinhart desillusioniert, wie der Bericht eines 25-jährigen Spaniers in der Süddeutschen Zeitung verdeutlicht: "Ich habe getan, was die Gesellschaft mir gesagt hat: (…) Ich habe studiert, ich war der Beste, aber jetzt? Nichts.“

Die niedrigsten Arbeitslosenquoten in Europa finden sich in Österreich, Deutschland und der Schweiz, die jeweils Maturanten- und Akademikerquoten unter dem OECD-Schnitt aufweisen. "In Österreich lag die Maturitätsquote mit insgesamt 40 Prozent deutlich niedriger als in Deutschland oder gar den südeuropäischen Ländern, ohne dass dies erkennbar negative Auswirkungen hatte“, so Bölling. Dies trifft auch auf die Schweiz zu, die bei einer Gesamtmaturität von nur 33,7 Prozent das mit Abstand höchste Pro-Kopf-Einkommen aufweist. Das starke Berufsbildungssystem verspricht hier jeweils gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Gefahr des Qualitätsverlusts

"Der Zusammenhang von hohen Absolventenquoten und hohem Pro-Kopf-Einkommen stellt keine strenge Gesetzmäßigkeit dar“, resümierte der Bildungsforscher. Um den volkswirtschaftlichen Ertrag akademischer Bildung richtig einzuschätzen, seien weitere Faktoren wie etwa wirtschaftliche Strukturdaten oder Arbeitsmarktregelungen zu berücksichtigen: "In Ländern mit bereits hohem Bildungsniveau scheint eine weitere Steigerung der Absolventenquoten nicht ohne Gefahr des Qualitätsverlusts möglich zu sein.“

Die Gefahr, dass Quantität anstelle von Qualität an den Unis zu dominieren beginnt, ortete die Historikerin Sylvia Hahn, Vizerektorin der Universität Salzburg, auch aus Sicht der Forscher. "Wenn intellektuelle Leistungen, Ideen und Forschungsergebnisse par tout gemessen, gerankt und evaluiert werden müssen, kann die zunehmende Ökonomisierung unserer Universitäten auch kontraproduktiv werden. Zu diskutieren wäre, ob hier nicht ein positiver bürgerlicher Wert wie Leistung auf gewisse Weise ad absurdum geführt wird.“ Derzeit aber liegt es an den Politikern, die Grundlagen für die künftigen Leistungen der Universitäten sicherzustellen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung