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Vermenschlichung des Strafvollzuges

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FRAGE: Aber Sie bleiben grundsätzlich beim Gedanken einer Totalreform?

ANTWORT: Grundsätzlich bleibe ich bei diesem Gedanken.

FRAGE: Denken Sie an eine Reaktivierung der Strafrechtskom- mission?

ANTWORT: Nein.

FRAGE: Denken Sie an eine österreichische Militärstrafrecht wird fast allgemein als unbefriedigend bezeichnet, besonders der Umstand, daß Soldaten wegen geringfügiger Vergehen bereits vor ein ordentliches Gericht gestellt werden. Liegen bereits konkrete Pläne für ein neues Militärstrafgesetz vor?

ANTWORT: Ja. Ich habe mich auch bereits mit dem Bundesmini- sterium für Landesverteidigung in Verbindung gesetzt. Das Justizministerium ist bestrebt, möglichst rasch ein neues Militärstrafrecht zu schaffen.

FRAGE: Wird das den vorher kurz skizzierten Einwänden Rechnung tragen?

ANTWORT: Ich bin der Meinung, daß viel weniger Verhaltensweisen als heute der gerichtlichen Strafbarkeit unterliegen sollten. Ich meine auch, daß auch zeitgemäße Strafen angedroht werden sollten. Geringfügige Verstöße gegen militärische Dienst- und Standespflichten sollten nicht gerichtlich strafbar sein.

FRAGE: Herr Bundesminister, Sie haben schon mehrfach betont, wie vordringlich eine Regelung des Strafvollzugsrechtes sei, da dieser Komplex derzeit nur sehr unübersichtlich und verstreut geregelt ist. Nach welchen Grundzügen wird der Entwurf eines Strafvollzugsgesetzes erstellt werden, wird er im allgemeinen dem bereits vorliegenden Entwurf aus dem Jahre 1965 folgen?

ANTWORT: Er wird im allgemeinen diesem Entwurf folgen. Allerdings sollen die Einwendungen, die zum Teil nicht unbeträchtlich sind, auch hier berücksichtigt werden. Grundgedanke des neuen StnafvoM- zugsgesetzes soll — auch in meinen Augen — eine Vermenschlichung des Strafvollzuges sein, aber auch ein Strafvollzug, der den modernen wissenschaftlichen Vorstellungen eines Strafvollzuges entspricht.

FRAGE: Herr Bundesminister, wie steht es mit der Novellierung der S traf prozeß Ordnung ?

ANTWORT: Die Novellierung der Strafprozeßordnung ist gleichfalls notwendig, und zwar unter dem Gesichtswinkel einer Anpassung an die Erfordernisse der Bundesverfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention.

FRAGE: Im Bereich des Strafverfahrensrechtes stößt die Institution der Geschwornengerichte immer wieder auf Kritik. Gerade die Fachleute — Richter, Rechtslehrer und auch Beamte Ihres Ministeriums — zählen zu den Hauptkritikem des

Systems der Geschwornengerichte. Wie stehen Sie zu diesem Problem?

ANTWORT: Zunächst muß ich darauf hinweisen, daß die Geschwor- nen- und Schöffengerichtsbarkeit auf Art. 91 B.-VG. fußt. Eine Änderung dieser Bestimmung wäre daher nur mit einer qualifizierten Mehrheit der Abgeordneten (zwei Drittel) des Parlaments möglich, würde also unter den gegenwärtigen innenpolitischen Verhältnissen zumindest eine Übereinstimmung der beiden Großparteien erfordern.

Nun ist zwar die Laiengerichtsbarkeit zu begrüßen, weil sie das Volk mit den schwierigen und verantwortungsvollen Aufgaben der Gerichte unmittelbar verbindet. Gefahren der Laiengerichtsbarkeit ergeben sich aus der mangelnden Erfahrung und dem geringeren Verständnis des Laienrichters für schwierige Tat- und Rechtsfragen, aus einer ‘begreiflichen Neigung des Laien zu eher gefühlsmäßigen Entscheidungen und nicht zuletzt aus einer möglichen Politisierung der Rechtssprechung. Dieser Gefahren wegen sind schon seit geraumer Zeit Vorschläge zur Änderung der Laiengerichtsbarkeit in Strafsachen erstattet worden. Aus den eingangs geschilderten Gründen müßte vor jeder legislativen Initiative in dieser Frage eine Annäherung der Standpunkte der politischen Parteien Österreichs gesucht und gefunden werden. Im Zug der Reform des Strafverfahrens wird das Bun- desmini’sterium für Justiz diesem schwierigen Problem besonderes Augenmerk zuwenden.

FRAGE: Herr Bundesminister, ein neues Presserecht wird von fast allen Seiten als besonders vordringliche Aufgabe bezeichnet. Werden Sie mithelfen, die vielleicht noch bestehenden Widerstände zu überwinden und darf man in der bereits vorliegenden Novelle zum Pressegesetz, welche die Entschädigung für ungerechtfertigte Beschlagnahme wiedereinführt, den Anfang einer umfassenden Neuregelung sehen?

ANTWORT: Ich meine, daß eine umfassende Neuregelung des Presserechtes unbedingt notwendig ist. Ich habe daher auch auf der europäischen Justizministerkonferenz im Mai dieses Jahres den Antrag gestellt, auf eine internationale Vereinheitlichung des Presserechtes hinzuarbeiten. Dieser Antrag ist auf der Justizministeikonferenz auch angenommen worden, und zwar fast einstimmig angenommen worden. Jedenfalls wird die innerösterreichische große Presserechtsreform vom Bundesministerium für Justiz bereits voibereitef.

FRAGE: Auf der Konferenz der europäischen Justizminister in Ber lin haben Sie auch einen vielbeachteten Antrag gestellt, eine einheitliche europäische Lösung für eine Strafverfolgung von Rassenhaß zu erarbeiten. Wenn aber eine allgemeine Einigung auf völkerrechtlicher Ebene nicht erreicht werden kann, wird dann dieser konkrete Plan für Österreich auf die lange Bank geschoben oder beabsichtigen Sie, in einem solchen Fall doch für Österreich allein einen entsprechenden Entwurf auszuarbeiten?

ANTWORT: Ich bin der Meinung, daß man zunächst abwarten soll, ob die internationalen Bestrebungen, eine einheitliche europäische Lösung au finden, zum Erfolg führen. Sicher bin ich aber auch der Meinung, daß man nicht allzulange zuwarten dürfte. Ich bin allerdings optimistisch, optimistisch deswegen, weil mein Antrag auf der europäischen

Justizministerkonferenz einstimmig angenommen worden ist.

FRAGE: Herr Bundesminister, die Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte erscheint vielen Kritikern nicht mehr zeitgemäß. Wird von Ihrer Seite in nächster Zeit ein Vorstoß zu erwarten sein, der die Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte aufheben soll?

ANTWORT: Ich bin der Meinung, daß die Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte ein Relikt aus der konstitutionellen Monarchie ist, daß sie nicht mehr zeitgemäß ist. Ich gebe mich allerdings insofern keinen Täuschungien hin, da ich weiß, daß viele Staatsanwälte selbst gegen eine Abschaffung der Weisungsgebundenheit sind. Wie immer es sich auch damit verhält, ich habe die Absicht, mich intensiv dieser Problematik zu widmen, und ich habe bereits Schritte zum Studium dieser ganzen Probleme gemacht.

Die Staatsanwälte nehmen bekanntermaßen eine ganz entscheidende Stellung innerhalb der Justiz ein. Die Justiz ihrerseits soll unabhängig van den politischen kollektiven Mächten sein. Nun ist es in diesem Zusammenhang sehr interessant, daß am 15. Dezember 1962 Richter, Rechtsanwälte, Verwaltungsjuristen und Rechtslehrer aus 75 Staaten unter der Schirmherrschaft der Internationalen Juristenkommission die „Entschließung von Rio de Janeiro“ zu dem Thema „Maßnahmen der Exekutive und Rechtsstaat“ gefaßt haben. Darin findet sich der sensationelle Leitsatz: „Zur Sicherung der Unabhängigkeit der Mitglieder von Verwaltungsbehörden, die herkömmlicherweise gerichtsähnliche Entscheidungen treffen, und zu ihrem Schutz gegen ungebührliche Eingriffe dürfen solche Mitglieder während ihrer Amtsperiode nicht absetzbar sein, außer aus wichtigen Gründen und durch gerichtliches Verfahren.“ Das heißt also, daß international heute sogar die Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit für Verwaltungsorgane gefordert wird. Um so mehr müßte meines Erachtens diese Garantie den Staatsanwälten geboten sein.

FRAGE: Herr Bundesminister,

dem Wesen unseres Rechtsstaates entspricht es, daß die Justiz von der Verwaltung getrennt ist. Das ist die Theorie. In der Praxis erscheinen oft Justiz und Justizverwaltung ineinander verzahnt. Glauben Sie, daß auf diesem Gebiet etwas getan werden müßte?

ANTWORT: Die Verzahnungen von Justiz und Verwaltung stammen zum großen Teil aus der Zeit der konstitutionellen Monarchie. Es wäre notwendig, die Justizorganisation auch in diesem Teil dem modernen demokratischen Rechtsstaat anzupassen; das heißt, man müßte die Justiz und die Justizverwaltung entflechten, und zwar auf eine solche Weise entflechten, daß die Justiz von der Verwaltung und von den politischen Kollektiven noch unabhängiger wird, als dies bisher der Fall ist. Ich habe vor, eine solche Aktion in die Wege zu leiten.

FRAGE: Spielt in diesem Zusammenhang nicht auch das Problem eine Rolle, daß zwar Richterkollegien Vorschläge für die Besetzung von Richterposten machen, daß aber die Verwaltung an diese Vorschläge nicht gebunden ist?

ANTWORT: Ich bin der Meinung, daß eine Bindung an die Besetzungs- Vorschläge der Personalsenate verfassungsrechtlich normiert werden muß. Ich habe die Absicht, auch in dieser Hinsicht die Initiative zu ergreifen. Es ist das eine alte Forderung der Richterschaft.

FRAGE: Herr Bundesminister, Sie gehören nicht dem Nationalrat an und sind auch nicht Mitglied der Regierungspartei. Wie waren Ihre bisherigen Kontakte zur Opposition, und wie werden Sie diese Kontakte in Zukunft gestalten?

ANTWORT: Kontakte zur sozialistischen Oppositionspartei ergeben sich ja aus der Notwendigkeit, in den Ausschüssen des Nationalrates die Regierungsvorlagen sowie die Berichte usw., die vom Justizministerium ausgearbeitet werden, zu vertreten.

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