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Versuch der Lehrerbildung

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Vor mehr als eineinhalb Jahren hat an dieser Stelle Sektionschef in Ruhe Dr. Ludwig Lang über die Neugestaltung der österreichischen Lehrerbildung durch das Schulgesetzwerk 1962 und über den Stand der Vorbereitungsarbeiten zur Einrichtung dier pädagogischen Akademien berichtet. Inzwischen wurde in Wien von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, pädagogische Akademien ab Beginn des Studienjahres 1966/67 als Schulversuch zu führen, und zwar in einer Pädagogischen Akademie des Bundes (Wien VII, Burggasse 14—16) und in der pädagogischen Akademie der Erzdiözese Wien (Wien VII, Kenyon- gasse 4—8). Dem Bundesministerium für Unterricht, dem die pädagogischen Akademien in erster und oberster Instanz, also direkt, unterstehen, waren diese Schulver- suche als praktische Gestaltungsversuche in pädagogischem Neuland zweifellos sehr willkommen, so daß für die generelle Einführung der pädagogischen Akademien mit Beginn des Studienjahres 1968/69 ein guter Start gewährleistet ist.

Der Zustrom wächst

Grundlegend anders wird 1968 ja nur der Studierendenzustrom sein. Während die Schulversuche auf die Maturanten der bisherigen höheren Schulen angewiesen waren, kommen dann die Absolventen der musischpädagogischen Realgymnasien hinzu. Man kann erwarten, daß sich 60 bis 70 Prozent der Maturanten dieser speziellen Zubringerschulen für die Lehr- und Sozialberufe um ‘ die Aufnahme in die pädagogischen Akademien bewerben werden. Zur Zeit dominieren weitaus die Ab- 1 gänger der bisherigen Realgymna- ‘ sien und der Frauenoberschulen. Im kommenden Studienjahr aber werden bereits etwa 850 bis 900 von zirka 2000 Studienanfängern der pädagogischen Akademien aus den musisch-pädagogischen Realgymnasien stammen, später — entsprechend der Steigerung der Eintritte in die fünfte Klasse dieser Sonderform des allgemein-bildenden höheren Schulwesens von zunächst 2300 auf nun rund 3650 — wesentlich mehr. Ihr Anteil dürfte sich in den nächsten fünf Jahren von etwa 45 auf fast 80 Prozent der Gesamtzahl erhöhen. Dementsprechend könnte der Zugang von den sonstigen höheren Schulen stark zurückgehen, bleibt er jedoch einigermaßen erhalten, wird dies den pädagogischen Akademien eine noch bessere Auslese ermöglichen, als sie bisher möglich war.

Für die Schulversuche war ja die Frage anders: ob sie überhaupt Studierende bekommen — in allen Bundesländern außer Wien werden noch einjährige Maturantenlehrgänge geführt — und ob diese Studierenden einen qualitativ mindestens unveränderten Lehrernachwuchs gewährleisten. Die Zahl der Studienanfänger war 1966/67 mit 145 höher, als erwartet wurde, sie stieg 1967/68 auf etwa 300 an, eine Zahl, die alle Erwartungen weit übertrifft. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, daß der Prozentsatz der Studierenden mit einem Reifezeugnis mit Auszeichnung höher als der Reifeprüfungsdurchschnitt ist.

Schwierigkeiten…

Die Schwierigkeiten des Studiums ergeben sich aus der geringen Semesterzahl (vier), dem hohen Wochenstundenausmaß der pflichtigen Studienveranstaltungen (35), der starken Inanspruchnahme durch die schulpraktische Ausbildung (teilweise zwei Lehrübungen pro Woche) und der — weil eine zweite Lehr- prüfung nicht mehr vorgesehen ist — notwendigerweise umfangreichen Abschlußprüfung (Lehramtsprüfung für Volksschulen). Dazu entdecken immer mehr Interessengruppen die Bedeutung und Möglichkeiten der Einflußnahme beziehungsweise der Mitwirkung in der Lehrerbildung und fordern entsprechende Studienveranstaltungen oder mehr Wochenstunden und besondere Akzente für bereits vorhandene. Demgegenüber ist das Bundesministerium für Unterricht um eine möglichst harmonische Gestaltung des Studienprogrammes der pädagogischen Akademien im Hinblick auf das Aus bildungsziel bemüht, nämlich Lehrer vor allem für die Grundschule ( erste bis vierte Schulstufe der Volksschulen) heranzubilden. Auf keinen Fall kann die pädagogische Akademie schon auf die Tätigkeit in der Hauptschule oder in den Polytechnischen Lehrgängen vorbereiiten.

Die Sorge der Raumnot

Wie sich aus den Schulversuchen eindeutig ergibt, wirkt sich die räumliche Beengtheit am ungünstigsten für die Arbeit in den pädagogischen Akademien aus. Der vom Umfang und von der Art bestimmter Studienveranstaltungen ohnehin stark eingeengte Raum akademischer Freiheit wird davon fast völlig beseitigt. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte aber die neue Lehrerbildung nicht nur pädagogisch, sondern möglichst viel Akademie sein. Soweit man es jetzt beurteilen kann, werden im Herbst 1968 nur etwa sieben von den vorgesehenen 14 pädagogischen Akademien räumlich vorteilhaft untergebracht sein, darunter fast alle privaten pädagogischen Akademien. Die Zeit der Aushilfen und des Ausweichens aller Art wird sich für einzelne Anstalten weit in die siebziger Jahre hinein erstrecken, sie wird freilich wesentlich kürzer als nach 1968 für die Lehrer(innen)bildungsanstalten sein. Dem Bund erwachsen wegen der erforderlichen umfangreichen Anlagen BaiuVerpflichtungen von mehr als einer halben Million Schilling.

Ein besonderes Problem ist auch die Gewinnung der geeigneten Lehrer für die pädagogischen Akademien, die für die pädagogischen Akademien des Bundes auf Grund von Dreiervorschlägen der Kuratorien vom Bundesministerium für Unterricht ernannt werden. Dabei sollen die Lehrer der Religionspädagogik sowie der Pädagogik mit ihren Grund- und Hilfswissenschaften in eine über die Lehrer an höheren Schulen hinausreichende Besoldungsgruppe eingereiht werden. Dementsprechend werden auch die Anstellungserfordernisse festgelegt werden. Darin wird der Grundsatz verankert sein, daß die Pädagogiker und die Schul- praktiker eine entsprechende Lehrerfahrung an den allgemein- bildenden Pflichtschulen mitbringen müssen; sie sind ja die Hauptträger der schulpraktischen Ausbildung. Dazu kommt, daß die den pädagogischen Akademien eingegliederten Ubungsschulen für die Durchführung der Lehrbesuche und der Lehrübungen bei weitem nicht ausreichen, so daß ein vielgliedriges System von Besuchsklassen einzuschalten ist. Das Bundesministerium für Unterricht hat seit 1964 eine besondere Fortbildung für die Lehrerbildner der theoretischen Ausbildung, die Pädagogischen Wochen für Lehrerbildner, eingerichtet, in die fortschreitend — zunächst die Schul- praktiker — alle anderen Lehrergruppen miteinbezogen werden.

Werbung und Förderung

Zwei Dinge waren für die außerordentliche Steigerung des Lehrernachwuchses in den letzten Jahren entscheidend: die Werbung für den Lehrberuf auf breitester Basis und die spezielle Studienförderung. Wie die Schulversuche beweisen, wird es darauf auch bei der allgemeinen Einrichtung der pädagogischen Akademien im Herbst 1968 ankommen. Es ist zu hoffen, daß die neue Lehrerbildung hierin an die bisherige Tradition anknüpfen kann. Dabei wird freilich — was angesichts des gegenwärtigen großen Lehrermangels zwar merkwürdig klingen mag, aber doch sehr wichtig erscheint — darauf zu achten sein, daß nicht schon in den siebziger Jahren in einigen Bundesländern eine raisdh zunehmende Lehremach- wuehsüberprodiuktion eintritt.

Im ganzen dürfte die Vorbereitung der neuen Lehrerbildung so weit gediehen sein, daß im Herbst 1968 die Einrichtung aller pädagogischen Akademien ohne allzu große Schwierigkeiten vor sich gehen kann. Bi dahiin werden freilich noch zahlreiche Einzelmaßnahmen den individuellen Gegebenheiten der einzelnen Anstalten Rechnung tragen müssen, was auch deshalb sehr wichtig ist, weil jede pädagogische Akademie mit Rücksicht auf die besondere Nachbarschaft zu den Schulen, für die sie Lehrer vorbildet, ihr eigenes Gepräge haben wird.

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