"Versuchen Integration ab Tag eins zu organisieren"

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Seit Monaten wird es angekündigt, im Spätsommer soll das Jugend-College "Start Wien" für Flüchtlinge endlich beginnen. Was konkret zu erwarten ist und welche Bildungsmaßnahmen sonst noch für Menschen mit Fluchterfahrungen geplant sind, erklärt Wiens Bildungs- und Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) im Interview.

DIE FURCHE: Frau Stadträtin, wie kann man sich das Wiener "Jugend-College" genau vorstellen?

Sandra Frauenberger: Es schafft 1000 Plätze für nicht-schulpflichtige Flüchtlinge zwischen 16 und 21 Jahren, denen wir eine Perspektive bieten wollen. Die Jugendlichen nehmen an zertifizierten Deutschkursen teil und werden dann weiter vermittelt - in die Berufsausbildung oder weiterführende Schulen. Das College ist modular und bedarfsorientiert, es kann also sein, dass man es nur sechs Monate besucht.

DIE FURCHE: Das Angebot ist auf 1000 Plätze begrenzt. Was, wenn Jugendliche keinen Platz bekommen?

Frauenberger: Als erstes kommen sie in das "Start Wien"-Programm für Flüchtlinge. Mithilfe unserer neuen Bildungsdrehscheibe der Grundversorgung bei den Wiener Volkshochschulen screenen wir sie: Welche Ausbildung bringen sie mit? Wo können wir ansetzen? Dann werden sie in Deutsch qualifiziert.

DIE FURCHE: Wie sieht insgesamt das Bildungs-Angebot für ankommende Flüchtlingsfamilien aus?

Frauenberger: Wir versuchen, für alle eine gute Integration ab Tag eins zu organisieren. Wenn eine Familie in eine Unterbringung kommt, wird sie von ihren Betreuern an die Bildungsdrehscheibe weitergeleitet. Dort machen alle Erwachsenen Kompetenzchecks - wobei es noch in dieser Legislaturperiode ein Wiener Anerkennungsgesetz geben soll, um auch Bildungsabschlüsse aus dem Nicht-EU-Ausland leichter anerkennen zu können. Alle Kinder und Jugendlichen werden in Schulen und Kindergärten integriert. Wir wünschen uns jedenfalls zwei verpflichtende Kindergartenjahre. Über 90 Prozent der Vierjährigen besuchen jetzt schon den Kindergarten.

DIE FURCHE: Wie wollen Sie die Eltern dazu bringen, dass sie ältere Kinder -auch und besonders Mädchen -über die Schulpflicht hinaus lernen oder eine Ausbildung machen lassen?

Frauenberger: Kinder aus patriarchalen Strukturen müssen gestärkt werden, da ist Bildung das beste Mittel. Unsere Lehrerinnen und Lehrer sind unglaublich engagiert, es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der außerschulischen Jugendarbeit, und wir setzen auf Elternbildung und Elternarbeit. Bei bildungsfernen Eltern ist es aber natürlich oft zäh, zu vermitteln: "Das Kind soll nicht dazuverdienen, sondern noch weiter lernen." Es gibt ja keine juristische Handhabe.

DIE FURCHE: Zuletzt wurde heftig darum gerungen, ob die Ausbildungspflicht auch für jugendliche Asylwerber gelten soll. Ihr Kommentar?

Frauenberger: Ich würde das natürlich begrüßen, weil sonst im Asylverfahren wichtige Zeit für die weitere Aus-und Weiterbildung verloren geht.

Das Gespräch führte Sylvia Einöder

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