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Digital In Arbeit

Von Krise keine Rede

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Auf dem Höhepunkt der Bausaison hat sich im August die Bauwirtschaft mit ernsten Zukunftssorgen zu Wort gemeldet. Diese Befürchtungen werden übrigens auch von der Arbeitnehmerseite geteilt, die vor allem um eine ausreichende Beschäftigung im kommenden Winter bangt. Beide Seiten stützen sich bei ihren eher düsteren Prognosen auf die Resultate des ersten Quartals des Jahres 1968.

Wie die Bauwirtschaft berichtet, sei das Bauvolumen gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 3,5 Prozent zurückgegangen. Auf der anderen Seite klagt die Gewerkschaft über einen Rückgang der Beschäftigung, der im Schnitt der ersten fünf Monate des heurigen Jahres 7,5 Prozent betragen habe. Als erschwerend Wind dazu noch erwähnt, daß einer höheren Anzahl von Beschäftigungssuchenden zugleich ein geringeres Anbot freier Stellen gegenüberstehe. Da die witterungsabhängige Bauwirtschaft naturgemäß stets im Winter ihre schwerste Zeit hat, fürchtet man für diese Periode eine besonders hohe Zahl freier Arbeitskräfte.

Indessen tauchen- in diesem Zusammenhang Zahlen auf, die nicht ganz stichhältig sind. So war erst

jüngst in einer Meldung davon die Rede, es seien im Winter 1967 68 in Österreich 53.000 Bauarbeiter ohne Beschäftigung gewesen. In Wirklichkeit erreichte die Zahl vorgemerkter Arbeitssuchender nur im Jänner 1968 einen Spitzenwert von 51.264 Beschäftigungssuchenden, während im Schnitt der fünf Wintenmonate vom November bis März 31.260 Bauarbeiter auf der Arbeitssuche waren.

Als für die ungünstige Lage bezeichnend, verweist die Bauwirtschaft auch auf die Zunahme der Konkurse und Ausgleiche. Während es im Jahre 1966 zwölf Fälle mit Gesamtpassiven von 87,2 Millionen Schilling gab, hätte man 1967 bereits dreißig Fälle mit 262,7 Millionen Schilling und bis zur Jahresmitte 1968 weitere 17 Fälle mit Passiven von 114 Millionen Schilling zu verzeichnen gehabt Gerade diese Ziffern und Daten scheinen indessen kaum ein sehr charakteristisches Merkmal zu sein, um das eher düstere Zukunftsbild zu erhärten. Setzt man nämlich die Zahl insolvent werdender Betriebe und die Summen, um die es dabei geht, in Relation zu den etwa 3500 Unternehmen der Baubranche und zum Volumen jährlicher Bauinvestitionen in einer Größenordnung über der Drei-

ßigmiffliardengren'ze, so erkennt man, daß es sich um eine kaum ins Gewicht fallende Zahl von kleineren und kleinsten Betrieben handeln muß.

Erstaunlich stark decken sich auch die Ansichten der Sozialpartner über die Ursachen der gegenwärtigen Entwicklung. Für den ungünstigen Auftragsstand, der die anderen negativen Begleiterscheinungen auslöst, macht man primär das Ausbleiben privater Bauaufträge und des Industriebaues verantwortlich. Auch die als zögernd bezeichnete Abwicklung 'bei den Wohnbauvergaben durch die Länder wird als eine der Hauptursachen angeführt. In diesem Zusammenhang wird argumentiert, es wenden sich die nun in der zweiten Jahreshälfte zu erwartenden verstärkten Vergaben im Wohnbau auf die Beschäftigungslage im Winter deshalb nicht mehr auswirken, weil die Rohbauten bis zum Einbruch der kalten Jahreszeit noch nicht soweit gediehen sein können, daß mit den Innenarbeiten angefangen werden kann.

Nun benötigt die Vollendung der Rohbauten in der Regel ein volles Baujahr. Da zwischen der Genehmigung von Darlehen für Wohnbauvorhaben und dem tatsächlichen Bau-

beginn stets eine gewisse Zeit verstreicht, hätten sich die Vergaben de, heurigen Jahres auch dann kann auf die Beschäftigungstage im Win- ter 1968 69 auswirken können, wem sie um einige Wochen früher erfolg wären. Für dieses Problem entscheidend sind demnach die Vergaben de; Jahres 1967, die noch von den staatlichen Fönderunigsinstrumenten vorgenommen worden sind. Nun halber die alten Fonds im letzten Jahr ilhrei T ätigkeit Übergangsschwier igkeiter im Zusammenhang mit der Vertan- derung des Wohnungsbaues bereits einkalkuliert und einer negativer Entwicklung gegen Jahresende mittels eines verstärkten Vergabeimpul- ses in der Größenordnung von zusätzlich einer Milliarde Schilling Rechnung getragen. Damit hatte man die heute erhobenen Forderungen bereits vorweg erfüllt.

Mehr Wohnungen im Bau als 1967

Mit 36.000 in Bau befindlichen Wohnungseinheiten zeigt sich der Erfolg dieser Maßnahme schon deutlich, stehen doch gegenwärtig um rund 4000 Wohnungen mehr in Arbeit alls im Jahre 1967. Eine jüngst vom Bautenministerium vorgenommene Überprüfung zeigt allerdings deutlich, daß es nicht allein auf die Vergabetätigkeit der öffentlichen Hand ankommt. So hat der Bundes-, Wohn- und Siedlungsfonds im Jahre 1967 für den Bau von 4000 Wohnungen in Wien die erforderlichen Darlehensmittel bereitgestedlt Im Zuge seiner Ermittlungen hat nun das Bautenministerium festgestellt, daß verschiedene Baugenossenschaften bis Ende Juli 1968 mit dem Bau von zusammen 1000 Wohnungen noch nicht begonnen haben. Für die Beschäftigung im kommenden Winter scheint demnach der Stand der Wohnbauvergaben des Jahres 1968 kaum von Bedeutung zu sein.

Was bleibt, ist daher das Auslassen der privaten Bautätigkeit und des Industriebaues. Der eigentliche Pferdefuß liegt nun darin, daß sich dieser für den Erfolg des Bauwirtschaftsjahres entscheidende Bereich, mit seinem bisher traditionellen Anteil von mindestens 20 Prozent der Aufträge, durch Maßnahmen der öffentlichen Hand einfach nicht be- ejftflus jläßt. ©te p ąte aųįąįfgĮ, keit und der Industriebau sind ab- häirgieitwn der jeweiligen. Konjunkturlage.

Im wesentlichen nichts Neues

Demnach darf man sich nicht wundern, wenn die Verbesserungsvorschläge der beiden Sozialpartner im wesentlichen nichts Neues bringen. Urgiert wird in diesem Zusammenhang die Erfüllung der Vorschläge des Beirates für Wirtschafts- und Sozialfragen zur „Koordinierung und Stabilisierung in der Bauwirtschaft“, doch konnten gerade auf diesem Gebiet von dem 1967 beim Bautenministerium geschaffenen Beirat für Bauwirtschaft bedeutende Fortschritte erzielt werden. Erwähnt sei die Schaffung der Bauwirtschaftsstatistik, der schon in Kraft befindliche Terminplan für die Vergabe öffentlicher Bauaufträge und die schon im letzten Winter verfügten, verstärkten Anstrengungen zur Bekämpfung der Winterarbeitslosigkeit.

Über die gleichfalls verlangte Auflage einer Wohnbauanleihe in Höhe von 500 Millionen Schilling liegen Vorvereinbarungen zwischen dem Finanzministerium und dem Bautenministerium schon vor. Ob die Forderung nach Freigabe der zweiten Hälfte des Eventualbudgets erfüllt werden kann, hängt letztlich von der Einnahmeentwickilung und vom konjunkturellen Verlauf ab. Darüber hinaus sind sämtliche Vorkehrungen getroffen, um die Winterarbeitslosigkeit im höchstmöglichen Ausmaß einzudämmen.

Ob sich die Entwicklung der Bauwirtschaft indessen schon aus dei Resultaten der ersten fünf Monat überhaupt ablesen läßt, erschein' mehr als fraglich. Diese Ziffern sager wenig aus, läuft doch die Bauwirtschaft erfahrungsgemäß aus witterungsbedingten Gründen im Apri erst richtig an. Ein -gutes Beispiel dafür lieferte das Bauwirtschaftsjahi 1967, bei dem die Ergebnisse dei ersten vier Monate gleichfalls stark unter den Werten des Vergieichszeit- raumes von 1966 zurückblieben. Erst im zweiten Quartal hat sich die Bauwirtschaft erholt, um schließlich irr dritten Quartal jenen Überhang zu erreichen, der dazu führte, daß das Bauwirtschaftsjahr 1967 doch noch mit einem tatsächlichen Zuwachs von real ein Prozent schließen konnte. Schlüssig beurteilen läßt sich dieses Resultat wohl nur im internationalen Vergleich, weil die konjunkturelle Entwicklung eines kleinen Landes wie Österreich vom Trend im euro

päischen Raum nicht beeinflußt bleiben kann.

Vergleicht man die österreichische Bauwirtschaftsbilanz etwa mit jener im Wirtschaftswundertand Westdeutschland, das schon im ersten Halbjahr 1967 einen Rückgang der Bauproduktion um gleich 14 Prozent in Kauf zu nehmen hatte, so sieht man, daß Österreichs Bauwirtschaft demgegenüber geradezu hervorragend abgeschnitten hat.

Die vom Beirat für Bauwirtschaft knapp vor Ostern laufenden Jahres fertiggestellte Vorausschau für 1968 bezifferte die Bauinvestitionen von Bund und Ländern mit etwa 20 Milliarden Schilling, wobei darin die Investitionen der Großgemeinden noch nicht enthalten waren. Im Schnitt bedeutet dies einen Zuwachs voh rund 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Da die Baupreise im Gegensatz zu den vergangenen Jahren heuer nicht gestiegen sind — bestimmte Kreise der Sauwirtschaft sprechen

sogar von einem Preisverfall —, müßten sich die verstärkten Anstrengungen der öffentlichen Hand auch in höheren Bauleistungen auswirken.

Letztlich wird demnach voraussichtlich auch in Österreich der Bauwirtschaftserfolg davon abhängig sein, ob die private Bautätigkeit und der Industriebau in nächster Zeit wieder eine Belebung erfahren. Da gerade auf diesem Sektor ein Zusammenhang mit der allgemeinen Kon- junkturiage nicht geleugnet werden kann, lassen die jüngsten Wirtschaftsberichte über anhaltend steigende Tendenzen von Industrieproduktion und Export fast mit Sicherheit auf eine solche positive Entwicklung schließen. Im Baujahr 1969 dürfte sich die Lage unter der Voraussetzung, daß der gegenwärtige Konjunkturveriauf anhält, wieder normalisiert haben. Der vom Beirat für Bauwirtschaft angekündigten Vorschau kann man mit Spannung entgegensehen.

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