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Wahlkampagnen: Schein und Sein

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Um es vorwegzunehmen: es gibt keine magische Zauberformel für erfolgreiche politische Werbung. Jede Kampagne muß auf die jeweilige Wahlsituation individuell zugeschnitten werden. Daher kann man Elemente einer erfolgreichen Wahlkampagne auch nicht beliebig auf einen anderen Wahlgang übertragen. Die einzige -allerdings entscheidende - Gemeinsamkeit ist eine zunehmende Profes-sionalisierung.

Was aber bedeutet das für die Zukunft der politischen Werbung in Österreich? Anhand der Erkenntnisse aus dem Klestil-Wahlkampf lassen sich 10 Thesen ableiten:

■ Die entscheidende Kommunikationsleistung zwischen Pohtikern und Wählern erfolgt nicht im persönlichen Kontakt, sondern „gefiltert" durch die Medien. Selbst Klestil hat bei seinem massiven Wahlkampf-Einsatz nicht mehr als fünf Prozent der Wähler persönlich kontaktiert.

■ Live, authentisch, möglichst ereignisnah lauten die wichtigsten Fern-seh-Gebote. Alles ist meldenswert, immer herrscht Nachrichtenzeit, und das Fernsehen ist überall dabei.

■ Wahlerfolge sind daher in immer größerem Ausmaß Kommunikationserfolge, die anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegen als die politische Alltagsarbeit.

■ Wahlerfolge sind auch nicht mehr ausschließlich durch die Mobilisierung des eigenen „Lagers" zu erzielen. Wählermehrheiten könjien nur mehr dadurch erzielt werden, daß die Motivationslagen der Wähler -und zwar hinter den Themen der Parteipolitik - erfolgreich angesprochen werden. Im Falle Klestil war dies die „ParteiVerdrossenheit" imd die „Politikerverdrossenheit". In der gesamten Wahlkampf-Planung ist daher von der Grunastimmung der Wähler und ihren ureigensten Interessen und Bedürfnissen auszugehen und nicht von jenen der Parteifunktionäre. Und zwar unabhängig davon, ob diese Vorstellungen objektiv gerechtfertigt sind oder ideologisch als richtig erscheinen. Es mag zynisch klingen, aber: „niemand kann gegen den Wind Klavier spielen".

■ Diese „bedarfsorientierte" Kommunikations-Strategie muß im Wahlkampf jedoch durch den Spit I zenkandidaten überzeugend verkörpert und symbolisiert werden. Dabei sind nicht die tatsächlichen Eigenschaften des Kandidaten für den Erfolg entscheidend, sondern die Erwartungshaltungen und Projektionen seiner Wähler. In diesem Punkt, nämlich der Auswahl des Kandidaten, werden die schwerwiegendsten - und meist irreparablen - Fehler gemacht: Die Kandidatenauswahl erfolgt in der Regel nach parteiinternen Selektionskriterien, ohne Rücksicht auf Wählerattraktivität.

■ Aus den Bedürfnissen der Wähler ist ein Ziel-Image zu erarbeiten, das im wesentlichen über Sachthemen angesprochen wird. Selbstverständlich muß der Kandidat diesem Image in der Kampagne voll entsprechen. Nichts anderes bedeutet der vielzitierte Satz von Jacques Seguela: „Die Persönlichkeit wird, was sie ist." Das war auch der entscheidende Bereich, in dem Klestil gegen Rudolf Streicher voll gepunktet hat.

■ Beim Einsatz ąer Medien sind die unterschiedlichen Kommunikations-leistungen sorgfältig zu beachten: Was ist die Wirkungsweise des Fernsehens? Des Radios? Was ist die Kommunikationsleistung des Plakates? Von City-Light? Von Inseraten im Printbereich? Von Direct-Mail-Aktivitäten? Alles zusammen ergibt die „Tonalität" einer Kampagne. •

■ Die mediale Wirkung geht dabei wiederum weniger von konkreten Fakten und ihrer sachgerechten Vermittlung aus, sondern vor allem von emotionalen Eindrücken.

■ Politischer Erfolg ist weniger von dem bestimmt, „was wahr ist", sondern davon, was die Menschen „für wahr halten". Medienorientiertes Polit-Business ist somit die Schaffung von „Images", die von den Spitzenkandidaten überzeugend illustriert und konkretisiert werden.

■ Grundvoraussetzung bleibt in jedem Fall die Persönlichkeit des Kandidaten - seine Kommunikationsfähigkeit, seine Ausstrahlung und seine Lernfähigkeit - wodurch er überhaupt erst befähigt wird, in die Erwartungshaltung der Wähler glaubhaft hineinzuwachsen.

Aus den Beispielen der erfolgreichen Klestil-Kampagne läßt sich daher - ebenso wie aus der Wahlbewe-rung Bill Clintons in den USA - ab-eiten: Kandidaten ohne ein stimmiges Wahlprogramm haben keine Chance. Der Clinton-Wahlkampf etwa war ein Musterbeispiel für Agenda-Setting und für die Konzentration auf einige wenige Sachthemen wie „Zeit für den Wechsel". Das Programm wiederum muß aus einer Grundstimmung der Bevölkerung heraus entwickelt und durch einen umfassenden Wahlfor- i schungsplan abgesichert werden. 1 Die Wahlforschung wird auch in I Österreich eine zunehmend wichti- * ge Rolle spielen - und zwar nicht, wie bisher, als lancierte Information geschönter Umfrage-Ergebnisse, sondern vielmehr im Bereich der Grundlagenforschung und als unverzichtbare Positionierungshilfe, bei der Kandidaten-Auswahl und der Programm-Erstellung.

Zudem werden die zu erwartenden Veränderungen der Medienlandschaft künftige politische Kampagnen beeinflussen: der ORF wird mit dem Verlust der Monopol-Situation seine dominante Meinungsführerschaft verlieren. Politische Meinungsbildung wird aus den Informationssendungen verstärkt in den Un- ■ terhaltungsbereich abwandern. Und nach ausländischem Vorbild werden neue Mischformen („Infotain-ment") entstehen - als Kombination von Information und Unterhaltung.

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