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Digital In Arbeit

Wenn ein Schulfach lebendig wird

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Ob Sprachferien gelingen, hängt vor allem von den Gastgebern ab, dann erst vom Unterricht und vom Freizeitangebot.

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Ob Sprachferien gelingen, hängt vor allem von den Gastgebern ab, dann erst vom Unterricht und vom Freizeitangebot.

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Etwa 7.000 österreichische Schüler werden heuer Sprachferien im Ausland machen, die Mehrheit davon sind Mädchen. Dafür, daß die meisten angebotenen Sprachreisen ihr Geld wert sind (ab etwa 5.000 Schilling pro Woche), sorgt seit 1982 der Verband österreichischer Studien- und Sprachreisenveranstalter (VÖS). Seiner Entstehung war eine TV-Diskussion über Mißstände in dieser Branche Vorangegangen. Josef Neumüller, zuständiger Ministerialrat im Unterrichtsministerium für diesen Bereich, meint rückblickend: „Einige Institutionen waren sehr schnell gewachsen und hatten ihre Programme mehr auf Quantität als auf Qualität ausgerichtet.”

Seither gelten für Mitglieder des VÖS strenge Richtlinien, in denen die Grundsätze Wahrheit, Klarheit und Kontrollierbarkeit betont werden. So müssen Prospekte umfassend und wahrheitsgetreu über die angebotenen Kurse informieren (Reise, Unterricht, Unterbringung, Freizeitgestaltung, genaue Preisangaben). Die Gastfamilien müssen sorgfältig ausgewählt sein und sollten gleichzeitig nur maximal drei Teilnehmer (davon keinen zweiten deutschsprachigen, außer nach Absprache mit den Eltern des Schülers) aufnehmen. Die Kurse müssen qualifizierte Lehrer halten, Unterrichtseinheiten zumindest 45 Minuten dauern, die Stärke einer Klasse darf höchstens 15 Teilnehmer betragen. Die Einteilung in Gruppen erfolgt nicht nach Alter oder Schulstufe, sondern nach einem Test zu Beginn des Kurses.

Neumüller gehört zum VOS-Beirat, der die Einhaltung der Richtlinien überwachen soll und dies durch Kontrollreisen während des Sommers tut. Nahm man bisher die Englisch- und Französischangebote sorgfältig unter die Lupe, steht bald auch den bisher ausschließlich vom ÖSG-Reisedienst organisierten Russisch-Kursen (St. Petersburg, Kislowodsk) eine Inspektion ins Haus.

Die Hauptziele heimischer Schüler liegen nach wie vor in Großbritannien (nicht nur in England, sondern auch in den noch reizvolleren I andschaften von Schottland und Wales) und in Frankreich. In Mode kommen Spanien und Irland sowie Englisch-Kurse im sonnigen Malta, auch Reisen in die USA, die französische Schweiz, nach Kanada und Italien sind zu haben.

Wie erhält nun der einzelne Informationen über die vielen Angebote? Zu den VÖS-Satzungen gehört, daß man nicht versucht, das Verbot, an Schulen kommerziell zu werben, zu unterlaufen. Mit Genehmigung des Unterrichtsministeriums darf aber alljährlich eine Sammelbroschüre, in der alle VÖS-Mit-glieder vorkommen, an die Schulen geschickt werden.

Das Ministerium selbst zählt in einem Heft alle -Sprachkenntnissen sicher förderlichen - Möglichkeiten von Auslandsaufenthalten für Jugendliche auf, und zwar für Klassen (Schulpartnerschaft, Klassenaustausch, Projektwoche, Intensivsprachwoche, Aufnahme eines Austausch-Schülers) und für einzelne Schüler (Schulbesuch im Ausland, Feriensprachkurse, direkter Austausch, Au pair, internationale Jugendcamps, Workcamps). Diese im Min-sterium erhältliche Broschüre enthält wichtige Adressen und unter dem Titel „Worauf es ankommt” wertvolle Tips.

Rolf Kratochwill, Vorsitzender des VÖS und ehemaliger Begründer und Direktor des Österreichischen Komitees für internationalen Studentenaustausch (ÖKISTA), erklärt unisono mit anderen Insidern: „Für rein schulische

Leistungen ist ein Paukkurs in Österreich besser. Im Ausland bekommt das Kind dafür das Gefühl, daß Sprache kein Schulgegenstand, sondern etwas Lebendiges ist, und es gewinnt an Sicherheit.”

Beschwerden registriert der VÖS sehr selten. Bei Unstimmigkeiten kommt es in der Regel zu einer amikalen Lösung zwischen den Eltern und dem jeweiligen Veranstalter, bestätigt Josef Neumüller. Am besten ist es, wenn der Schüler Probleme gleich an Ort und Stelle meldet (alle Organisationen haben Kontaktleute am jeweiligen Kurs-ort), meist lassen sie sich dann sofort lösen. „Wenn die Gastgeberfamilie in Ordnung ist, ist das Wesentliche erfüllt, erst dann kommen der Unterricht und die Freizeit”, weiß Neumüller aus Erfahrung.

Einige Orte - Kratochwill nennt Eastbourne in England — sind überlaufen von Ausländern, was manchmal zu Schlägereien mit einheimischen Jugendlichen führe. Jüngere Schüler - oft fahren heute schon Elfjährige auf Sprachferien - sind mitunter in einem College mit fixem Tagesplan besser aufgehoben als in einer Familie, obwohl die Gasteltern angehalten sind, sich an Wünsche der Eltern (wie lange zum Beispiel die Kinder aus- und aufbleiben dürfen) zu halten, sagt Kratochwill. Er bedauert nur, daß einige Eltern in Sprachferien eine Art Aufbewahrungsstätte sehen und sich wenig um ihre Kinder kümmern. Es gibt aber auch Eltern, die am gleichen Ort den Urlaub verbringen, wo ihr Kind Sprach-ferien macht.

Die mitunter beträchtlichen Preisunterschiede für etwa drei Wochen Kurs mit Reise und Aufenthalt (etwa zwischen 12.000 und 30.000 Schilling) beruhen nicht nur, aber auch auf Qualitätsunterschieden bezüglich Reisebetreuung, Unterbringung, Frei-zeitangebot, Größe der Kursgruppen. All das gilt es im Angebot genau zu prüfen. Anmeldungen sind oft noch kurzfristig möglich, wenn eine Reise nicht schon ausgebucht ist.

Der VÖS nimmt jedenfalls nicht jeden auf (zwei Jahre erfolgreiche Praxis sind Aufnahmebedingung) und hat auch schon eine Schule ausgeschlossen. Neumüller resümiert: „Viele sagen: Gut, daß es den Verband gibt.”

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