"Wettlauf um unnützes Wissen"

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Den Sinn standardisierter Tests nimmt der PISA-kritische Bildungsexperte Stefan T. Hopmann näher unter die Lupe. Das Gespräch führte Sylvia Einöder

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Den Sinn standardisierter Tests nimmt der PISA-kritische Bildungsexperte Stefan T. Hopmann näher unter die Lupe. Das Gespräch führte Sylvia Einöder

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Was sagen die Ergebniss von standardisierten Tests aus? Wie soll man damit umgehen? Stefan T. Hopmann, Professor für Schul- und Bildungsforschung an der Universität Wien, im FURCHE-Interview.

Die Furche: Herr Professor Hopmann, nationale Standard-Testungen üben in Großbritannien starken Einfluss aus. Wie schätzen Sie die Situation in Österreich ein?

Stefan T. Hopmann: Im angelsächsischen Raum können Testergebnisse bis zur Schließung von Schulen führen. An manchen Orten in den USA werden jedes Jahr etwa zehn Prozent der Lehrer infolge von Testergebnissen gefeuert, weshalb es dort immer weniger erfahrene Lehrer gibt. Im Gegensatz dazu haben die hiesigen Tests bisher keine unmittelbaren Folgen. Die Wiener Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl hat aber verkündet, dass sie die Testergebnisse künftig auch in die Notengebung einfließen lassen möchte. Das halte ich für Missbrauch.

Die Furche: Inwiefern?

Hopmann: Diese Tests eignen sich nicht dazu, einzelne Schüler, Lehrer oder Schulen zu beurteilen. Sie können nur überprüfen, wie gezielt Schüler auf einen bestimmten Test vorbereitet wurde. Die internationale Forschung zeigt, dass Standard-Tests zu keiner nachhaltigen Leistungssteigerung führen - eher im Gegenteil.

Die Furche: Wie wirken sich Standard-Tests auf den Unterricht aus?

Hopmann: Es kommt oft zu einem gezielten Unterrichten nur für den Test. Vor allem Schulen im mittleren Qualitätsbereich sind unter Druck. Sie sind daran interessiert, schlechte Schüler loszuwerden und Schüler im mittleren Leistungsbereich zu fördern, weil bei ihnen die größten Steigerungen möglich sind. Die Leistungsstarken und - schwachen werden so vernachlässigt.

Die Furche: Welche Aussagen können die Tests über die Schulqualität treffen?

Hopmann: Fast keine. Die Schülerleistung hängt von vielen Faktoren ab: Sozialer Herkunft, Kulturkreis oder Wirtschaftskonjunktur, aber auch Klassenzusammensetzung, Unterrichtsverlauf oder der Tagesverfassung am Testtag. Die

Furche: Österreich landete beim letzten PISA-Vergleich 2009 auf Platz 39. Sind wir tatsächlich so schlecht?

Hopmann: Im PISA-Vergleich schneiden wir nicht gut ab, dafür aber beim Übertritt von der Schule in den Arbeitsmarkt. Unsere Dropout-Quote liegt klar unter dem EU-Schnitt. Bloßer Wissenserwerb ist nicht entscheidend für späteren Erfolg. Was bringt es, wenn ein Schüler 15 Testpunkte mehr erhält, aber keine Lehrstelle findet? Die

Furche: Wer verdient an den Tests?

Hopmann: Die Test-Industrie ist eine stark subventionierte Wachstumsbranche. Daran sind Test-Firmen, Statistik-Firmen, Experten-Gremien, private und akademische Institutionen beteiligt. Die Regierungen sind bereit, viel Geld in die Tests zu stecken, um die Daten instrumentalisieren zu können.

Die Furche: Von britischen Zuständen sind wir aber weit entfernt.

Hopmann: Wenn die hiesigen Entscheidungsträger ungehindert so weitermachen, ist die Gefahr einer ähnlichen Entwicklung groß: Auf jede Bildungsstandard-Runde folgt der Ruf nach noch mehr Tests.

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