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Wider alle Hof fnung hoff end!

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In den beiden abwechselnd glühheißen und dauerregnerischen Sommerwochen, da Salzburg zu Festspielen und Hoch-schulwochen rüstete, versammelten sich im Borromäum in Parsch Menschen, die ihr Beruf in die Lebensmitte öffentlichen katholischen Lebens führt, Lehrer und Theologen. Sie wollten Klarheit gewinnen über das Heute und Hier, in das sie durch “ihre Berufung gestellt sind. Haltungen, Seinsweisen, nicht billige Rezepte, Direktiven oder starre Methoden erwarteten sie von der Tagung. Man kann nicht leugnen, ■ daß der, der mit solcher Gesinnung dahin kam, reiche Ernte heimtrug. Enttäuscht konnte einer werden, der stolzen Zahlenrausch, fassaden-

hafte Repräsentation, selbstgerechtes „Tun, als ob ...“ erwartet hätte.

Die VI. Delegiertentagung der Katholischen Lehrerschaft Österreichs war in ihrer Architektur klug angelegt. Gehörten die beiden ersten Tage der sorgsamen Durchberatung wichtiger Fachfragen, die in einer klaren und deutlichen Resolution ihren Niederschlag fand, so führten die beiden weiteren Tage in das Existenzanliegen des katholischen Lehrers im umfassendsten Sinne. Die Resolution fordert katholische Erziehung für katholische Schulkinder, Ablehnung jedes staatlichen Schulmonopols, volle Freiheit für Eltern und Lehrer in der Wahl der

ihrem Gewissen entsprechenden Schule ohne zusätzliche materielle Verpflichtungen für die Eltern, ohne zusätzliche Prüfungen für die Schüler und ohne Schmälerung des einheitlichen Dienst- und Besoldungsrechtes für die Lehrerschaft. Nach wie vor lehnt die Katholische Lehrerschaft Österreichs im allgemeinen die Koedukation ab und verlangt weiter: das neunte Schuljahr in Form einer fünften Volksschulstufe, die Erhaltung der Hauptschule als gehobener und lebenspraktisch organisierter Schule für die künftigen Hausfrauen, Bauern, Industriearbeiter, Angestellten und Handwerker, ferner den Ausbau der Lehrerbildungsanstalten zu sechsjährigen Lehrerakademien. Unter-xichtsminister Dr. H u r d e s hat in einer öffentlichen Rede diese Forderungen selbst in sehr entschiedener Weise erhoben und sie mit einem Bekenntnis zum Entweder - Oder einer Welt mit oder ohne Gott verbunden. Er hat darüber hinaus die Forderung nach menschenwürdigen Lehrergehältern im allgemeinen erhoben und sie zu einem persönlichen Anliegen erklärt. Bedeutungsvoll an dieser Tagung aber war, daß diese ganz wichtigen Existenzfragen der katholischen Erziehung in Österreich nicht im reinen taktisch-politischen Raum abgehandelt wurden, sondern daß sie ihre Fundierung und innere Berechtigung in der Klarheit gewannen, mit der die katholische Lehrerschaft ihr Sein in der Zeit begriffen hat. Der neben den Schulräten Nowotny und Buch-graber (Wien), in deren Händen die umsichtige geistige und technische Leitung der Tagung lag, bestimmende Kopf, Min.-Rat Dr. Peter (Wien), gab mit einem druckenswerten Referat Thema und Perspektive einer grundsätzlichen Untersuchung „Der christliche Erzieher und die Zeit“. Nach der pädagogischen (Schulrat Zens), der sozialen (Hauptschullehrer Josef Hickl), der bildungsmäßigen (Dozent Planckensteiner) und der religiösen Seite (Schulrat Buchgraber) hin wurde seine These — kein Ausweichen, sondern Ringen um Klarheit und Scheidung der Geister — in Einzelausführungen erhärtet. Der Cardijnsche Satz „Sehen, urteilen, handeln“ schien ein inneres Motto dieser Pädagogentagung zu sein. Gesehen und beurteilt wurde klar und richtig ein Überhandnehmen der zum Dogma erhobenen Dogmenloskj-keit des Pragmatismus ausländischer Herkunft, eine erschreckende soziale Absturzbewegung des Lebensstandards (von Ersparnissen überhaupt nicht mehr zu reden), eine die Mitte verlassende falsche Betriebsamkeit und Fluchtsituation in die platte Nützlichkeit auf bildungsmäßigem Gebiet und ein Bedrohtsein des rein religiösen Innenbereichs durch die einsickernde Sinnlosigkeit der umgebenden Welt, das alles wurde schonungslos, manchmal in geradezu dramatischer Härte beim rechten Namen genannt. Allen Rednern aber war die oft unausgesprochene Uberzeugung zu eigen, daß dennoch die „Mitternachtsstunde“ vorbei sei und die kleine Zahl der bewußten Christen in der Zeit wohl nur langsam wachse, an innerer Festigkeit aber gewinne. Die Stunden vor dem Sonnenaufgang seien die kältesten und trostlosesten, und so müsse man eher mit einer allgemeinen Christusentfernung als mit einer inneren Konversionsbewegung der Welt rechnen, aber die eigentliche Entscheidung sei in diesem Jahrhundert bereits gefallen, dessen führende Geister die heute noch in den breiteren Niederungen nachgebeteten Zeitirrtümer überwunden hätten.

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Einige Tage später trafen 120 junge Theologen, Österreicher und ausländische Gäste aus Deutschland, Südtirol, Holland und der Schweiz ein. „Der Priester in der Welt von heute“ war ihr Thema. Auch hier am Beginn ein themenumgrenzendes Eingangsreferat. Professor R a h n e r (Innsbruck) zieht nicht nur die Grundlinien des Heute nach, er verlängert sie mit Weisheit und verständiger Vorsicht in ein zu erwartendes Morgen hinein. Eine Kirche, die aus der Gegenwart herauswächst, ersteht vor dem geistigen Auge der jungen Hörer, die nicht mehr Kirche der sich im Subjektivismus auslebenden frommen Persönlichkeiten, sondern eine Kirche der für Gott offenen Personen sejn wird. Weltkirche der Diaspora in einem kommenden Weltstaat,

der kein Sacrum imperium, sondern eher ein neuer Turm zu Babel sein dürfte. Mit den Mächten von heute, die in der Welt das Morgen wirkend vor? bereiten, wurde nun der Priester konfrontiert. Tiefschürfende Einzelvorträge gaben ihm eine grundsätzlich philosophische Wesensschau, katechetische und pastorale Fortführungen handelnde Konsequenzen des bedingenden Seins. Am wichtigsten aber blieben die Grundquadern. Prof. Thums in subtiler Gelehrtenruhe befolgte Analyse der modernen Technik, die, wie nach einem geheimnisvollen Webeplan der Vorsehung, berufen sei, den Irrglauben der letzten Jahrhunderte an die vergöttlichte, den Menschen bergende Natur, die zum spino-zistisch-neutralen Gott erhoben wurde, zu zerstören, Prof. Mauers lodernd-intellektuelle Wesensergründung der modernen Kunst, die nicht an einem willkürlich kanonisierten Traditionschristentum selbstherrlich gemessen, sondern aus ihrer eigenen Existenz heraus erklärt, bejaht oder verneint wurde, Prof. Schneiders ungemein wichtiger pädagogischer Hinweis, daß eine Heilung der Gesellschaft von der Familiensorge, nicht von einem übertriebenen abstrakten Individualismus ausgehen könne, Prof. Westphalens sehr überschaubare soziale Strukturanalyse, bei der die erfahrene Ablehnung aller doktrinären Prokrustesbetten der selbstherrlichen Ismen die jungen Priester besonders ansprach. Die haltungsmäßige Lebenskunde priesterlicher Existenz der Professoren Rieser und Hansemann, dessen Formulierung vom Prie-

ster, „der Büßer und nicht Pascha“ zu sein habe, werden sich manchem Reifenden genau so bestimmend eingeprägt haben wie die tiefen Homilien der Morgengottesdienste, jene Prof. Drink-w e 1 d e r s über den Kelch im Priesterleben, jene Prof. Auers über das persönliche Erleben, das unerläßliche persönliche Widerspiegeln des begegneten Christus.

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Daß beiden Tagungen keinesfalls nur Bedeutung im luftleeren Raum der Theorie des „Man könnte, man müßte ...“ zukommt, beweisen entscheidende Tatsachen. Zu den Lehrern kam ihr Minister, kamen zweihundert katholische Lehrer aus Italien, die in der von Fürsterzbischof Dr. Rohracher zelebrierten Schlußmesse mit ihnen zur Kommunionbank schritten.

Den Theologen aber galt das besondere Grußwort ihres bischöflichen Oberhirten. Zu ihnen sprach auch der Landeshauptmann von Salzburg Dr. Klaus kurze, aber überlegte und erwägenswerte Worte über den Klerus, die Politik und die Öffentlichkeit. Ganz und gar eingebettet in einer umspannenderen Wirklichkeit, als die flüchtiger Kongreßtage, aber fühlten sich alle Teilnehmer der Theologenwoche, als ihnen der Fürsterzbischof, soeben aus Rom zurückgekehrt, den persönlichen Segen des Heiligen Vaters und eine Botschaft übermittelte: „Werdet Konsekratoren, heilige Ver-wandler der Welt, nicht nur irgendeiner vergangenen ideal-christlichen, sondern dieser gottfernen, technisierten Welt von heute...“

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