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Wie soll es weitergehen?

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Schulreformen brauchen ihre Zeit und sollen ihre Zeit der Reifung, der Überprüfung, des Versuches und der Erprobung haben. Und so scheinen mir doch im Anhang und als Folge der Ereignisse der letzten Wochen auf schulpolitischem Gebiet einige unmittelbare Aufgaben gegeben. Es geht um das Anstellen einiger grundsätzlicher Überlegungen, um das Auffinden und Herausstellen der Grundprinzipien, auch der konstituierenden Elemente einer künftigen Schulreform.

Folgende Forderungen

scheinen mir unter den heute gegebenen Umständen die Ansatz-und Kardinalpunkte einer umfassenden und fundierten Schul- und überhaupt Bildungsreform zu sein.

1. Ausgleich sozialer Ungerechtigkeiten, die das bisherige Schulsystem in sich barg, da hier zu früh die Festlegung in künftige Berufslaufbahnen und damit die Vorwegnahme sozialer Aufstiegschancen erfolgte. Dieses Verlangen darf allerdings nicht Nivellierungen bedeuten, sondern muß gleichzeitig Elitebildung, deren auch die Demokratie nicht entbehren kann, sichern; dies letztere kann zugleich auf breiterer Basis als bisher geschehen. In solchen Zusammenhängen sei ein von mir schon vor Jahren aufgestellter Satz wiederholt: „Gerechtigkeit der Bildung bedeutet nicht Gleichartigkeit der Bildungswege.“

2. Aus dem Erstgenannten sind einige Folgerungen zu ziehen, so: a) Einführung einer Eingangsoder Orientierungsstufe nach der Grundschule, umfassend das 5.* und 6. Schuljahr. Hier ist ein breiter und über Zeit verfügender Raum für individuelle pädagogi-

sche Beobachtung und Förderung zu schaffen.

b) Sicherung einer allerdings auch wieder nicht ins Extrem verfallenden Durchlässigkeit in den weiterführenden Schulen über diese Eingangsstufe hinaus. Diese Permeabilität muß äußerst ausgewogen sein und darf nicht sozusagen im stillen zur Auflösung des bisher und weiterhin grundsätzlich vertikalen Schulsystems führen. Für die Hauptschule und die verbleibende Stufe der allgemeinbildenden höheren Schulen soll vielmehr ein gemeinsamer Grundbildungsplan in den Kernbereichen erstellt werden. 3. Schaffung eines Systems von gestuften Abschlüssen, so nach dem 9., dem 11. und dem 12. (13.) Schuljahr mit Möglichkeit der Lenkung in geeignete und nötigenfalls einzurichtende berufsvorbereitende Schulen oder be-

rufsbegleitende Schulen. Hier herein gehört das, was fälschlich seit neuester Zeit als „Kleine Matura“ bezeichnet wird. Hieraus ergibt sich auch die Notwendigkeit einer verstärkten Abstimmung zwischen allgemein- und berufsbildendem Schulwesen, wobei letzteres in Zukunft auch eine stärkere Beachtung seitens der wissenschaftlichen Pädagogik erfahren sollte.

Reform der Oberstufe

4. Was im besonderen die im Mittelpunkt der Erörterungen und Sorgen stehende allgemeinbil-dene höhere Schule betrifft, so ist die Umwandlung der gymnasialen Oberstufe in eine Studienstufe mit spezifisch studienpropädeuti-scher Aufgabenstellung und spezifischen (seminaristischen) Arbeitsformen vorzubereiten. Hier ist nicht nur der Zusammenhang mit den Universitäten, sondern überhaupt eine Synchronisierung der Schul- und Hochschulpolitik au beachten. Flexibilität, Liberalität, Differenzierung und möglichste Individualisierung des Bildungsganges, Neuorientierung des Verhältnisses von Lehrer und Schüler könnten die Kriterien dieser letzten Schulstufe unterhalb der Universität sein. Durch die Impulse der letzten Zeit und durch zwingende Notwendigkeiten sollen die Gedanken einer modernen, beileibe jedoch nicht modernistischen inneren Schulreform schon jetzt weiter gepflegt und intensiviert werden. Die entscheidende Frage bleibt dabei, in politischer, sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht gleich gewichtig, wie die künftige Gliederung unseres Schulwesens und sein Gebalt beschaffen sein müssen, um sozial gerecht zu sein und um die vielfach vermißte Effek-

tivität erreichen zu können; vor adaptiven Bildiungsmodellen nur utilitaristischer Zwecksetzungen der Machbarkeit und Brauchbarkeit sei allerdings äußerst gewarnt.

Wesentliche Voraussetzung für all das ist eine systematische Lehr-planforsdwng als Vorbereitung bdldungspolitischer Entscheidungen. Wie solche Forschungen vorzugehen haben, das kann hier nicht dargelegt werden. Jedenfalls können solche Überlegungen sofort in Angriff genommen werden, und dies wird auch im Rahmen meiner Lehrkanzel an der Salzburger Universität nach einer bevorstehenden personellen und finanziellen Ausstattung geschehen.

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