"Wir brauchen Aufnahmetests"

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Reiner Brettenthaler, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, im Interview.

Die Furche: Der steirische Ärztekammerpräsident Dietmar Bayer hat letzte Woche für die Einführung von Aufnahmetests zum Medizinstudium plädiert. Teilen Sie seine Forderung?

Reiner Brettenthaler: Die österreichische Ärztekammer hat das schon seit 15 oder 20 Jahren gefordert, wobei man uns immer zu Unrecht Eigennutz unterstellt hat. Faktum ist, dass in Österreich pro Jahr tausend Ärztinnen und Ärzte mehr ihr Studium abschließen, als vernünftigerweise unterkommen. Sie bekommen also keinen Turnusplatz oder keine Stelle als niedergelassener oder Spitalsarzt. Die Arbeitslosenstatistik ist insofern geschönt, als all jene, die noch nie gearbeitet haben, gar nicht erfasst sind. (Im September 2003 waren 244 Medizinerinnen und 177 Mediziner beim AMS als arbeitslos gemeldet - um 70 mehr als im Vorjahr, Anm. d. Red.). Deshalb hat die Ärztekammer seit Jahren Zugangsbeschränkungen gefordert, die sich am Bedarf orientieren - wobei wir nicht die Rolle des Bedarfsprüfers spielen, sondern nur unsere Expertise abgeben wollen.

Die Furche: Wer sollte den Bedarf Ihrer Meinung nach erheben?

Brettenthaler: Es gibt ein Gesundheitsministerium, Wirtschaftsministerium und Sozialministerium. Darüber hinaus gibt es viele selbst ernannte Experten, die sich zu allem und jedem gern zu Wort melden.

Die Furche: Ärztekammerpräsident Bayer hat sich "seriöse Tests und Praktika" vorgestellt, um zu Beginn des Medizinstudiums die Spreu vom Weizen zu trennen. Könnte es auch ein Numerus clausus sein?

Brettenthaler: Wir haben den Numerus clausus immer abgelehnt und schon vor Jahren ein Pflegepraktikum vorgeschlagen, sind aber am Widerstand der Gewerkschaft gescheitert. Wir haben auch keine Patentlösung. Wahrscheinlich sollte es ein Mittelding sein aus einer Berücksichtigung der Schulnoten und einer mündlichen Befragung. Im Moment sehe ich auch keine politische Aufbruchstimmung. Aber wenn eine solche kommt, sind wir gerne bereit, mitzudenken.

Die Furche: Als langjähriger Ärztekammerpräsident von Salzburg haben Sie am Entstehen der Privaten Medizinuniversität Salzburg tatkräftig mitgewirkt. Bislang betrachten die anderen Unis die PMU nicht einmal als Konkurrenz. Wie sehen Sie ihre Zukunft?

Brettenthaler: Sehr positiv, weil man hier durch die Anpassung der Studentenzahl an die vorhandenen Möglichkeiten den einzig richtigen Weg geht - nämlich die individuelle Förderung. Ich würde liebend gern an dieser Universität studiert haben.

Die Furche: Und Sie hätten sich die Studiengebühr von 8.000 Euro pro Jahr leisten können?

Brettenthaler: Leisten müssen. Aber die Uni Salzburg bemüht sich, ihre Studenten nicht nach finanziellen Gesichtspunkten auszuwählen - durch ein Stipendiensystem. Für eine gute Ausbildung kann und muss man eben investieren. Deshalb glaube ich auch, dass es die Uni Salzburg den anderen schon zeigen wird.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

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