"Wir möchten kein Ghetto"

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die furche: 1998 wurde die Islamische Religionspädagogische Akademie im 7. Wiener Gemeindebezirk gegründet. Mit welchem Ziel?

Direktor Hassan Mousa: In Österreich gibt es zwar seit 1983 islamischen Religionsunterricht an den Schulen. Gleichzeitig mussten wir aber die Lehrer dafür aus dem Ausland holen. Das war problematisch, weil diese Religionslehrer aus einer anderen Kultur kamen und mit unseren Jugendlichen nicht richtig umgehen konnten. 1998 haben wir es endlich geschafft. Mittlerweile haben wir 200 Studierende, rund 70 Prozent davon Frauen.

die furche: Wie groß ist der Andrang?

Mousa: Groß. Wir nehmen jedes Jahr nur rund 50 Leute auf. Bei einer Aufnahmeprüfung werden die deutschen Sprachkenntnisse, aber auch die religiösen Kenntnisse geprüft. Das Studium dauert drei Jahre mit einem einjährigen Vorbereitungslehrgang Arabisch. Ohne Arabisch schafft man das Koranstudium nicht.

die furche: Kooperieren Sie mit anderen Institutionen?

Mousa: Die pädagogischen Fächer wie Erziehungswissenschaften oder Päda-gogische Psychologie machen wir in der Pädagogischen Akademie des Bundes im 10. Bezirk, weil unsere Studenten dieselben Voraussetzungen wie alle anderen Lehrer haben und mit ihren künftigen Kollegen zusammenwachsen sollen. Wir möchten kein Ghetto. Bei uns unterrichten Glaubenslehrer von der Al-Azhar-Universität in Kairo die theologischen Fächer wie Koranwissenschaft oder Islamrecht. Ein Vorteil davon ist, dass an dieser Universität alle Rechtsschulen gelehrt werden. Sie ist auch staatlich. So kann ich sicher sein, dass die Lehrer keine extremistischen Vorstellungen haben. Drittens ist das Studium hier mit jenem der Al-Azhar kompatibel. Unsere Studenten können dort weiterstudieren.

die furche: Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Anas Schakfeh, wünscht sich eine islamisch-theologische Fakultät an einer staatlichen Universität ...

Mousa: Wir wollen eine solche Fakultät, aber in Zeiten des Sparpakets ist das schwer zu fordern. Daher haben wir in Zusammenarbeit mit der Universität in Kairo eine Akademie gegründet - die Al-Azhar-Akademie für Höhere Islamische Studien. Bisher wurden etwa viele Imame in ihren Heimatländern ausgebildet. Wenn ich die Ausbildung mancher sehe, stehen mir die Haare zu Berge. Darum wollen wir eine Bildungsstätte in Österreich aufbauen.

die furche: Sie planen im 7. Bezirk auch eine Lehranstalt für 14-Jährige ...

Mousa: Ja. Viele Eltern schicken ihre Kinder in diesem Alter zurück in die Türkei und wollen für sie religiöse Bildung haben, doch dadurch werden die Kinder entwurzelt. Wir wollen ihnen in dieser Lehranstalt eine religiöse Bildung und die normalen Schulfächer anbieten - mit Maturamöglichkeit.

die furche: Wann soll diese Schule und die neue Akademie eröffnet werden?

Mousa: Diesen Herbst. Wir haben das Lehrpersonal und die Räumlichkeiten, aber die Genehmigung des Ministeriums fehlt noch. Am 15. Jänner haben wir die Anträge für die Akademie weggeschickt. Bis heute haben weder der Wiener Stadtschulrat noch das Bildungsministerium geantwortet. Aber ich habe Studenten, ich werde beginnen.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

P.S.: Auf Anfrage der furche hieß es im Wiener Stadtschulrat, das hierfür nötige Gutachten sei im August ans Bildungsministerium weitergeleitet worden. Dort konnte man es noch nicht im Detail studieren. Ob der Al-Azhar-Akademie das Öffentlichkeitsrecht zugesprochen wird, ist also ungewiss.

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