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Wirken in der Zeit

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In der fruchtbaren Diskussion um Probleme des österreichischen Katholizismus, die durch mehrere Beiträge der „Furche“ ausgelöst winde, geht uns die nachfolgende Stellungnahme zu einer wichtigen Teidfrage — Aufgaben und Wirkungskreis der österreichischen Klöster — zu.

„Die österreichische Furche" Der kürzlich veröffentlichte Aufsatz der „österreichischen Furche"; „Vorwort und Bitte" behandelt sehr wichtige Probleme des österreichischen Katholizismus von heute und beleuchtet auch nicht weniges sehr richtig. Aber es sind da einige Sätze, die der Verfasser wohl kaum geschrieben hätte, wenn er volle Einsicht in die Verhältnisse der österreichischen Stifte hätte.

Propst Weingartner schreibt in seinen Lebenserinnerungen „Unterwegs“, Seite 111: „Eine vierte Fahrt zu sämtlichen Stiften Ober- und Niederösterreichs führte uns die überragenden kulturellen Leistungen der vielgeschmähten Benediktiner, Augustiner, Zisterzienser und Prämonstratenser vor Augen." Er will eben damit sagen, daß die Leistungen dieser Stifte alle Kritik gegen sie als unberechtigt hinstellen. Genau so müßte auch der Verfasser des Artikels „Vorwort und Bitte“ schreiben, wenn er die österreichischen Stifte genau kennen würde, aber nicht folgenden Satz: „Sind nicht allenthalben Restaurationen und Ausgaben für tote Dinge in einem unverhältnismäßig hohen Maße geschehen, während für die Förderung und Entfaltung des katholischen Lebens oft kein Geld zur Verfügung stand? Vergeblich harrt manches Stift an der volksdemokratischen Grenze auf neue Alumnen, die es als Forstmeister, Ökonomen, Kellermeister auszubilden gerne bereit ist, alle Gebäude sind restauriert, während etwa ein Seminar für kirchliche Frauenberufe sich seit Jahren buchstäblich durchhungert und im Winter durchfriert." Letzteres ist bestimmt sehr zu beklagen, und es ist Pflicht der berufenen katholischen Stellen, darin Abhilfe zu schaffen. Aber hat ein Klostereroberer nicht die Pflicht, die notwendigste Substanz seines Hauses, zu welcher nun einmal die Gebäude und die Kirche gehören, so zu erhalten, daß auch in den nachfolgenden Zeiten die Brüder dieses Stiftes im Sinne ihres Ordensstifters wirken können? In der Tat haben die Vorsteher der österreichischen Stifte schwere Sorgen damit, Häuser und Kirche auch nur vor dem Verfall zu retten. Mancher Abt klagt, daß er kaum die Mittel hat, die Dächer seines Stifts reparieren zu können. Ferner werden wohl in den österreichischen Stiften nur ganz wenige Patres sich wirtschaftlichen Aufgaben allein widmen, und auch diejenigen, die hauptamtlich als Gastmeister oder Ökonomen wirken, werden noch irgendwie in der Seelsorge verwendet. Anderer- seit hat eben die Erfahrung gezeigt, daß die eigenen Professen eines Stiftes doch besser für das Haus sorgen als Laien (die übrigens in den heutigen Stiften ohnehin zahlreich eingestellt sind). In der Regel hat nur die oberste Leitung in den wirtschaftlichen Belangen ein Stiftsmitglied, wie es auch die kirchlichen Vorschriften mehr oder minder verlangen. Und diese vielfach beanstandeten Wirtschaften der österreichischen Stifte tun auch im ausgesprochensten Sinne gute Werke. Die geistlichen Gymnasien und Konvikte können nur gehalten werden, weil die Wirtschaft da ist: Den Buben in den Konvikten könnten gute Kost und ein schönes Heim gegen einen Verpflegsbeitrag, der den heutigen Währungsverhältnissen gar nicht entspricht, gar nicht geboten werden, wenn die Wirtschaft das Defizit der Anstalten nicht deckte. Nur so ist es den Stiften möglich, den Söhnen des vielfach verarmten Mittelstandes und anderen ärmeren Schichten eine katholische Erziehung zu bieten. Der Verfasser möge in die Bücher der Wirtschaftskanzleien der österreichischen Stifte an der Grenze der Volksdemokratien Einblick nehmen, und er wird staunen, welche Summen,die Stifte für Schule und Seelsorge leisten.

Der Autor des Artikels wendet sich ferner dagegen, daß Priester Mathematik lehren, also als Professoren fungieren. In dem Rundschreiben Pius’ XI. über das katholische Priestertum (ad catholici sacerdotis, 20. Dezember 1935) heißt es:

„Aber man soll jene Glieder des Klerus, die sich durch Neigung oder besondere Anlagen zur Pflege und Vertiefung dieses oder jenes Kunst- und Wissensgebietes — sofern es für ihre kirchliche Stellung nicht unpassend ist — berufen fühlen, in kluger Weise ermutigen und unterstützen.“

Also: die Kirche spricht anders. Es werden auch nur jene Stifte wirkliches klösterliches Leben führen können, die eine Schule besitzen oder sich einer größeren gemeinsamen wissenschaftlichen Aufgabe widmen, und es werden auch nur diese Stifte immer wieder in normalen Zeiten den nötigen klösterlichen Nachwuchs haben. Wie schwer tun sich da Stifte bei der besten Führung und dem besten Willen, die keine Schulen haben! Und die Eltern, die ihre Kinder geistlichen Instituten anvertrauen, wünschen Patres als Erzieher und Lehrer, die sich frei von jeden anderen Sorgen in väterlicher, ja ich möchte sagen in fast mütterlicher Sorge der Erziehung und Schulung der ihnen anvertrauten Jugend hingeben. Abgesehen sei davon, daß es auch für ein Stift finanziell untragbar wäre, eine größere Anzahl besoldeter weltlicher Lehrer anzustellen, Und kommen wir schließlich an einem Sonntag in ein Stift, das eine Schule hat, und finden dort fast keinen Professor- Pater zu Hause, so sind sie fort, aber nicht auf Erholung, sondern um in den umliegenden Pfarrs’en Seelsorgedienst auf Kanzel und im Beichtstuhl zu leisten. Der verstorbene Direktor eines berühm ten Stiftsgymnasiums ist jeden Tag vom frühen Morgen bis zu Beginn der Schule in seinem Beichtstuhl gesessen und hat sich keine Woche Urlaub gegönnt, um ja vom Freitag bis Sonntag in seinem Beichtstuhl wirken zu können. Und er, der höchst segensreich an seiner Schule Gewirkt hat. hat bestimmt noch seoens-

reicher in seinem Beichtstuhl gewirkt, deT von Pönitenten umlagert war.

So sind die österreichischen Stifte in der heutigen Unruhe und Angst die segensvellen Stätten, von wo aus viel mehr katholisches Wirken ausgeht, als eine Teklamesüchtige Welt meint.

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