Wissenschaft und Seilbahnen!

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Sie gelten als beliebte "Manövriermasse" bei Koalitionsverhandlungen: Forschung und Technologie, Kunst und Kultur. Erst recht jetzt, nach dem Ende der Ära Gehrer.

Das glaubt mir niemand", klagt Rudolf Scholten. "Aber ich habe das echt gern gemacht." Von März 1996 bis Jänner 1997 war der für seine Kunstsinnigkeit geschätzte ehemalige SP-Unterrichts-und Wissenschaftsminister auch für den Verkehr zuständig (siehe Kasten). "Die Logik dahinter war, in einem umfassenden Ressort sowohl materielle wie immaterielle Infrastrukturthemen unterzubringen - von den realen bis zu den geistigen Schienen des Landes", erinnert sich das Vorstandsmitglied der Österreichischen Kontrollbank. Dass manche diese ungewöhnliche Mixtur als "Ministerium für Wissenschaft und Seilbahnen" belächelten, ärgert den Banker nur mäßig: "Man kann sich eben über alles lustig machen."

Verstreute Kompetenzen

Nicht ganz so divers wie das Ressort von Rudolf Scholten, aber umso üppiger war jenes Ministerium, das Elisabeth Gehrer - seit 1995 bereits für Unterricht zuständig - ab 2000 zu managen hatte: neben Schulen, Universitäten, Forschungsagenden und dem Kultusamt ressortierten auch die (mittlerweile ausgegliederten) Museen in ihr "Zukunftsministerium". Doch wie soll die nächste Regierung - nach dem angekündigten Rückzug Gehrers - diese Bereiche kombinieren? "Vor allem sollten die Forschungsagenden endlich in einem oder höchstens zwei Ministerien gebündelt werden", wünscht sich Raoul Kneucker, bis 2002 Sektionschef im Wissenschaftsministerium (siehe unten). Angesichts der Einbindung Österreichs in die EU-Forschungspolitik wäre es für eine solche "Kompetenzbereinigung" höchste Zeit.

Tatsächlich sind die Forschungsagenden derzeit auf vier Ministerien verstreut: die Grundlagenforschung ist in Gehrers Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur beheimatet, die angewandte Forschung im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) von Hubert Gorbach und Staatssekretär Eduard Mainoni (beide BZÖ); die industrienahe Forschung ist in Martin Bartensteins Wirtschaftsministerium daheim; und im Finanzministerium sind jene üppigen "Sondermittel" geparkt, die - am Regelbudget vorbei - auf Empfehlung des "Rates für Forschung und Technologieentwicklung" vergeben werden.

Blauer Postenschacher

Noch übler als diese vielfältigen Zuständigkeiten empfinden Experten die Tatsache, dass der Wissenschaftsfonds FWF, dessen Fördermittel zu 85 Prozent an die Universitäten fließen, seit dem Wendejahr 2000 nicht mehr ins Wissenschafts-, sondern ins Infrastrukturministerium gehört. Und der Umstand, dass das BMVIT als Mehrheitseigentümer der Austrian Research Centers Seibersdorf ungehindert Akteure installieren konnte, die der Burschenschaft Olympia nahe stehen, sorgt seit Jahren für Verwunderung.

Postenbesetzungen nach politischer Präferenz werden freilich auch der ÖVP vorgeworfen: Von den Rektoren der neuen Pädagogischen Hochschulen bis zur jüngsten Vertragsverlängerung für die Direktorin des Technischen Museums, Gabriele Zuna-Kratky, reicht die Liste der Vorhaltungen.

Ob die Schwüre der künftigen Minister, es sicher besser zu machen, ernst zu nehmen sind, wird sich zeigen. Die Wunschlisten an die künftigen Koalitionspartner sind jedenfalls schon lang: Raoul Kneucker wünscht sich "eine Zusammenarbeit aller Akteure für eine geschlossene Forschungspolitik in Europa". Rudolf Scholten träumt von einem eigenen Kulturministerium und dem Ende der "Degradierung" der Kunst als vermeintliche "Chefsache" im Bundeskanzleramt. Und der ehemalige Wiener Stadtschulratspräsident Kurt Scholz ersehnt "vertrauensbildende Maßnahmen für Eltern und Lehrer sowie tief greifende Strukturreformen" im Schulbereich. Und noch etwas erhofft sich der Querdenker Scholz: "Einen Freigeist" an der Spitze des Kulturressorts, jemanden, "der die Nation heillos beunruhigt und sein Amt mit Wahnsinn und gelegentlicher Anstößigkeit erfüllt".

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