Wissenschafterin in Wien?

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Die Anforderungen an junge Wissenschafter sind enorm gestiegen. Sana Shah ist eine von ihnen, die sie erfüllen – und weggehen.

Sana Shah, ist noch Studentin. Ihr Studium der Politikwissenschaft ist beendet, ausständig sind noch ihre Abschlüsse in Internationaler Entwicklung und Französisch. Mit 24 Jahren wird sie dreifache Magistra sein, ihr Doktorat bei einem deutschen Pakistan-Spezialisten schreiben. Dennoch weiß sie nicht so recht, ob sie in der Forschung bleiben möchte – aber wenn, dann auf keinen Fall in Wien. Das nächste Studienjahr wird sie deshalb im Rahmen eines „Joint Study“-Programmes an der Universität Montreal/Kanada verbringen.

Die Österreicherin mit pakistanischen Wurzeln ist eine jener jungen Forscherinnen, die sich ungefragt für ihre sechs Jahre dauernde Studienzeit entschuldigen: „Ich habe so lange gebraucht, weil ich soviel anderes daneben gemacht habe, vor allem Sprachen.“ Englisch, Französisch, Urdu und Hindi sind eine Selbstverständlichkeit für sie. Daneben sammelt Shah Arbeitserfahrung in Form von Praktika. Als freie Mitarbeiterin des Demokratiezentrums Wien und des Ludwig Boltzmann Instituts für Europäische Geschichte und Öffentlichkeit eignet sie sich jene fachunabhängigen Kompetenzen an, die von Akademikern heute selbstverständlich gefordert werden: Präsentationen gestalten, Konferenzen vorbereiten, Publikationen redaktionell betreuen.

Es fehlt die Zeit, etwas gründlich zu machen

Shahs wissenschaftliche Schwerpunkte begannen sich rasch zu zeigen und zu entwickeln: Pakistan, politischer Islam und Migration. Ihre Diplomarbeit widmete sie der Frage nach der politischen Identität unter pakistanischen Studenten an drei Universitäten in Pakistan. Was Shah zu dem Zeitpunkt noch fehlt, ist ein wissenschaftliche Netzwerk, mit dem sie von Wien aus Kontakte zu südasiatischen Ländern knüpfen kann. Die junge Frau gründet daher gemeinsam mit einer Kollegin 2007 den Verein Talaash, zu Deutsch „Suche“. „Wir haben Leute – junge Frauen und Männer in Wissenschaft und Kunst – gesucht, die über Indien und Pakistan forschen, und begonnen, monatliche Konversationsrunden und Forschungsbrunches zu organisieren.“

Shahs selbst aufgebaute Netzwerke reichen längst über die Landesgrenzen hinaus; unter ihren ebenfalls akademisch gebildten Freunden in Wien sieht sich die ehrgeizige junge Frau, die die Schwächen im System erkennt, keine Vorbilder. Das Abdriften in sozial prekäre Lebenslagen durch externe Lektorate mit ungesicherten Verträgen hat sie bereits oft genug miterlebt. Für Shah ist Wien als Forschungsstätte erst gar keine Option: „Wo sind die langfristigen akademischen Karrieremöglichkeiten?“, fragt sie. „Überfüllte Lehrveranstaltungen, Überforderung der Unterrichtenden, schlechte Bezahlung … es interessiert mich nicht, wie die Lehre hier läuft“, sagt Shah.

Dem Leben als Beschäftigte auf der Basis von Drittmitteln steht sie skeptisch gegenüber: „Das große Problem ist die Zeit; die Zeit, die man braucht, um etwas gut zu machen.“ Diese Zeit fehlt. Wie viele ihrer älteren Freunde kennt auch sie das Problem, während der Fertigstellung eines Projekts schon an das nächste denken zu müssen. „Man ist immer gezwungen, ein Jahr vorauszuplanen. Aber ich lerne, studiere, arbeite und forsche gerne, wenn ich das Gefühl habe, es bringt mich weiter.“ Wien könne diesen Ansprüchen für sie kaum gerecht werden. Gut möglich, dass aus ihr nur eine Forscherin mehr wird, die nach guter und teurer Ausbildung in ein wissenschaftsfernes Berufsfeld abwandert – oder überhaupt weggeht: „Vielleicht ergibt sich ja etwas in Kanada.“

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