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Wo steht die Katholische Jugend heute?

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In meinen in der „Furche* Nr. 26 veröffentlichten Ausführungen wurde die Situation gezeichnet, in die die Jugendarbeit heute hineingestellt ist. Nun soll versucht werden, zu zeigen, wie die Katholische Jugend ihr zu begegnen sucht.

1945 wurde nicht die frühere Vielheit der Jugendverbände wieder aufgerichtet, sondern die KJ konstituierte sich in einer einheitlichen Bewegung als Jugend der Kirche. Dahinter stand keineswegs ein „romantischer Optimismus“, sondern ernste und wohlbegründete Überlegungen und nicht zuletzt der ausdrückliche Wille der Bischöfe. Die Gründe dafür sind oft genug dargelegt worden. Zutiefst war es doch das in den Menschen neu erwachte Bewußtsein der Kirche und die Uberzeugung, daß die Gesundung des Menschen allein aus den Quellen des kirchlichen Lebens geschehen kann. Das bedeutet unter anderem, daß sich der Aufbau der Katholischen Jugend wesentlich stärker als bei den früheren Verbänden an den Aufbau des kirchlichen Organismus anschließt. Sie steht unmittelbar unter der Jurisdiktion des Bischofs. Damit ist die Stellung der Diözesan-einheiten der KJ eine weit eigenständigere und die Stellung einer Bundesführung eine etwas andere als die einer Verbandszentrale. Trotzdem konnte das Bestreben nach der notwendigen über-diözesanen Einheit gerade auf dem Sektor der Jugend viel früher und konsequenter verwirklicht werden als sonst irgendwo. Und es ist gelungen, zu einer immer einmütigeren und vertrauensvolleren Zusammenarbeit zu kommen. Daß „der Kantönligeist im Wachsen“ sei, widerspricht den Tatsachen.

Die KJ als Jugend der Kirche hat eine eindeutige religiöse Zielsetzung. Waren anfangs manche der Meinung, es genüge eine möglichst intensive religiöse Beeinflussung, so wurde sehr bald die Erkenntnis allgemein, daß gerade zur Bildung des Christen die Pflege aller Bereiche des Lebens gehört. All diese Gebiete wurden grundsätzlich in die Arbeit aufgenommen. Freilich gegen viele innere Schwierigkeiten. Es ist wahrhaftig nicht leicht, eine Generation mit so wenig innerer Aufgeschlossenheit zu all den Werten zu führen, die ihr vermittelt werden müssen. Selbst der Sport, für den wahrlich Begeisterung herrscht, ist nur sehr mühsam aus seiner einseitigen Verwilderung herauszuführen. Um so schwieriger ist es auf dem Gebiet der sozialen und politischen Bildung. Trotzdem ist zum Beispiel das politische Interesse unserer Jugend bereits wesentlich reger geworden. Freilich genügt das bisher Erreichte nicht, und das größte Stück dieser Arbeit ist noch zu leisten.

Im ganzen gesehen hat sich die Gefahr heute dahin verlagert, daß die Arbeit sich in äußeren und weltlichen Tätigkeiten zu erschöpfen droht und dabei der entscheidende religiöse Kern in den Hintergrund gedrängt wird. Hier kann freilich kein allgemeines Urteil gegeben werden. Sicher darf festgestellt werden, daß.der Großteil der Jugend in unseren Gemeinschaften religiös lebendiger und tiefer ist, als es früher war, wenn auch die religiöse Entschiedenheit der Pfarrjugend in der nationalsozialistischen Zeit nicht mehr erreicht wird. Aber wir haben eigene Glaubensstunden der Jugend, wir haben — wenigstens in den Städten, teilweise auch auf dem Lande — die Werktagsjugendmesse; beides gab es früher nicht. Sicher, die Glaubensstunden werden nicht überall durchgeführt, die Jugendmesse wird nicht von allen besucht. Aber sie sind grundsätzlich da, und eine regelmäßige Gelegenheit, die innere Kernschar der Jugend regelmäßig zu vertiefen. Wir haben zweifellos heute eine lebendigere Mitfeier der Jugend beim heiligen Meßopfer, wir finden einen lebendigen Zug zur Bibel. Es gibt viele — wenn auch manchenorts noch nicht genügend — Exerzitien (um den 1. Mai haben in Oberösterreich über 70 Jungarbeiter an Exerzitien teilgenommen, zur selben Zeit zirka 40 in Salzburg), es gibt sehr viel Einkehrtage. Bei all dem bleibt bestehen, daß manchenorts die religiöse Vertiefung hinter anderen Betätigungen zurückbleibt. Hier zeigt sich die spürbarste Folge des Mangels an wirklichen Jugendseelsorgern.

Anfangs hatte man vielfach Angst vor der Organisation und meinte, es ginge ohne sie. Die Erkenntnis, daß auch die Jugend der Kirche eine klare organisatorische Ausprägung braucht, ist schrittweise durchgebrochen. Im Herbst 1946 gaben die Bischöfe der KJ ihre Richtlinien. Ein Jahr später lag das gedruckte Programmheft „Aufbau und Wollen“ vor, das das ideelle Programm und die organisatorische Gestalt der KJ bis ins einzelne umriß. Einige Punkte waren noch offen. Inzwischen sind in allen Gliederungen die gedruckten Richtlinien erschienen, in denen Organisation und Arbeitsweise genau festgelegt sind. Es ist unrichtig, daß die KJ bis heute kein brauchbares Statut habe. Freilich läßt die praktische Durchführung in manchen Gruppen noch sehr zu wünschen übrig.

Die Angst vor der Organisation liegt vor allem in der Jugend selbst. Sie scheut von sich aus die Bindung und jegliche Verpflichtung. Trotzdem ist es in der letzten Zeit immer klarer geworden, daß eine solche unbedingt notwendig ist; vor allem um der Jugend selbst willen, der die Entscheidung nicht erspart werden darf. So drängt es schrittweise zu einer klaren Mitgliedschaft. Vorstufen sind durch den schon lange eingeführten Jugendausweis und das Monatsopfer gegeben.

Freilich sind mit der Mitgliedschaft zwei Gefahren verbunden: die eine, daß sie einen zahlenmäßigen Rückgang zur Folge haben kann; der könnte in Kauf genommen werden. Die andere, daß dadurch die Gruppen stärker in sich abgeschlossen werden, die Offenheit für Außenstehende verlieren und Selbstzweck werden. Diese Gefahr ist ernst und ihr muß mit Klugheit begegnet werden. Denn sie greift ans Wesen. Und hier stoßen wir zur Kernfrage:

Als Jugend der Kirche trägt sie eindeutig Verantwortung für alle getauften Jugendlichen. Als Jugend der Katholischen Aktion hat sie missionarischen Auftrag. Es ist klar, daß ihre Aufgabe nicht einfach Betreuung der bereits Erfaßten sein kann, sondern daß sie diese zu aktiv - apostolischem, eroberndem Christentum führen muß. Das ist sogar die entscheidende Frage ihrer Existenzberechtigung. Sie hat sich um die Masse zu kümmern. Diese aber ist nicht zu gewinnen und zu beeinflussen ohne die tragende Schicht einer aus apostolischem Willen lebenden und wirkenden Elite, ohne die Aktivisten und Führer, die die missionarische Wirksamkeit der KJ garantieren.

Hat die KJ heute die Masse? In den ersten Jahren war ein rasches Wachstum in die Breite zu verzeichnen. Die KJ konnte sich bald zur weitaus stärksten Jugendorganisation entwickeln. Das ist sie auch heute noch, obwohl seit zwei oder drei Jahren dieses Wachstum zum Stillstand gekommen ist. Wenigstens im allgemeinen. In einigen Diözesen ist der Ausbau der Jugendarbeit und damit ein stärkeres Anwachsen erst später sichtbar geworden. Klagenfurt hat heuer erstmalig einen Bekenntnistag mit zirka 7000 Jugendlichen gesehen, ein bisher nie dagewesenes Ereignis. Trotz dieser zahlenmäßigen Erfolge muß gesagt werden, daß das Gros der Jugend nicht, ja nirgends erfaßt ist. (Dieses Urteil gilt für manche ländliche Gegenden nicht.) Warum greift die Erfassung der Jugendlichen nicht weiter? Unter anderem deshalb, weil eben nur ein Teil der Jugend für eine Erfassung, noch dazu in einer kirchlichen Organisation, zugänglich ist. Diesen Teil hat die KJ im allgemeinen erreicht. Die Masse der Femstehenden ist nur mühsam und einzeln zu gewinnen.

Ist diese in der KJ erfaßte Schar „Elite“? Im eigentlichen Sinn des Wortes sicher nicht. Es sind viele in ihr, die noch sehr am Rande stehen. Im Vergleich freilich zur übrigen Jugend steht sie wohl deutlich über dem Durchschnitt. Sie ist keine formlose, gesichtlose Masse. Gerade bei öffentlichen Kundgebungen — auch bei den Wiener Fackelzügen — ist immer wieder das Urteil der Beobachter, daß diese Jugend in ihrer Art, ihrer Haltung, ihrer Sauberkeit sich wesentlich von den anderen unterscheidet. Oder man schaue selbst ein Tanzfest der KJ an, bei dem sicher nicht nur die innerste religiöse Kernschar teilnimmt, und der Unterschied springt klar in die Augen.

Ist es aber gelungen, dieser KJ die drängend missionarische, apostolisch-aktivistische Note zu geben? Nach den Erfahrungen in den ersten Jahren muß die Frage für den Durchschnitt verneint werden. Um diese Generation zu missionarischer Haltung zu führen, genügten die bisherigen Methoden nicht. Dies war der Grund, warum die KJ sich im Jahre 1948 entschloß, ihre Struktur und Arbeitsweise diesem Anliegen des Apo-stolats und der Katholischen Aktion entsprechend zu ändern und den Aufbau der spezialisierten Bewegungen der Katholischen Arbeiterjugend, Mittelschuljugend und Landjugend in Angriff zu nehmen. Dadurch sollen die Jugendlichen viel konkreter, bewußter und unmittelbarer auf das Leben und Wirken in jenem Milieu vorbereitet werden, in dem sie täglich stehen. Eine solche Umstellung braucht Zeit, wird nicht überall gleich verstanden und bedarf einiger Erfahrung. Sie zieht einen Umbau in der Führung und Schulung nach sich. Die Heranbildung von Aktivisten in jeder dieser Gliederungen braucht viel Geduld und Ausdauer. Rückschläge, Enttäuschungen müssen in Kauf genommen werden. Und doch hat die bisherige Arbeit in dieser Richtung sehr verheißungsvolle Ergebnisse gebracht, braucht aber noch viel Zeit, bis sie zur vollen Wirksamkeit gelangen kann. •

Wie steht es mit den Altersstufen, die in der KJ vertreten sind? In einem sehr konsequenten Ausbau ist die Jungschararbeit begriffen (die Gruppen der unter Vierzehnjährigen). Das ist nicht nur erfreulich, sondern entscheidend. Denn der große Abfall und die innere Zersetzung geschieht nicht erst nach dem 14. Lebensjahr, sondern schon im Hauptschulalter.

Ist es nun richtig, daß sich die KJ zu einem „Knabenhort“ entwickelt? Wenn Dr. Burghardt das Fehlen der. älteren Jahrgänge etwa um das 20. Lebensjahr feststellt, so trifft das sicher eine sehr ernste Tatsache. Freilich stimmt sie in dieser Allgemeinheit nicht. Sie stimmt zum Großteil für den städtischen Bereich, keineswegs aber für die Landjugend wo die Verhältnisse eher umgekehrt liegen. Aber in der städtischen Jugend steht dieses Problem ernstlich da. Und — es muß ehrlich gesagt werden — zum Großteil ungelöst. Allerdings nicht nur bei uns. In Deutschland ist es trotz des Versuches einer eigenen Organisierung dieser Altersschicht nicht gelungen, es zu lösen. Selbst in der Schweiz taucht es in der städtischen Jugend immer stärker auf. Der in Wien gemachte Versuch einer Jungmännerbewegung ist nicht durchgedrungen. Die Ursachen können hier nicht genauer untersucht werden. Zweifellos spielt hier die Eigenart gerade dieser Generation, auf die im letzten Artikel hingewiesen wurde, eine bedeutende Rolle. Jedenfalls haben wir die Hoffnung, durch einen systematischen Ausbau der beruflichen Gliederungen der Lösung dieses Problems am ehesten nahezukommen.

Es ist hier versucht worden, auf knappem Raum, ein übersichtliches Bild über die KJ zu geben, doch muß immer wieder betont werden, daß das Bild in den verschiedenen Diözesen, Gliederungen und Altersstufen viele Unterschiede aufweist und, wie schon gesagt wurde, in einem Stadium der Entwicklung und des inneren und äußeren Umbaues steht. Sie ist nicht mehr die KJ der ersten Jahre nach dem Krieg; sie ist auch noch nicht voll und ganz die KJ in jener Ausprägung, die sie sich nun zum Ziel gesetzt hat. Die Richtung des Weges, der gegangen werden muß, ist eindeutig. Es ist eine Frage der Zeit und' der Kräfte, wann diese Entwicklung ans Ziel gelangt.

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