Zahlen, ohne anzuschaffen

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Von 20. bis 22. Mai finden die Wahlen zur Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) statt - die ersten nach Einführung der Studiengebühren. Die verhassten Beiträge prägen den Wahlkampf - und auch die Debatte zwischen Christoph Rohr (AktionsGemeinschaft) und Patrice Fuchs (VSSTÖ).

Die Furche: Bei den letzten ÖH-Wahlen im Jahr 2001 sind nur knapp 28 Prozent der Studierenden zu den Urnen geschritten. Haben die Studierenden so wenig Interesse an ihrer Vertretung - oder waren die Register mit so vielen "Karteileichen" gefüllt?

Christoph Rohr: Es liegt sicher am Zeitgeist, zum anderen auch an der Regierung Schüssel, die nicht dafür bekannt ist, Interessensvertretungen sehr zu schätzen. Außerdem ist die Studierendenvertretung durch die Einführung der Studiengebühren an ihre Grenzen gestoßen. Das hat zu einer gewissen Verdrossenheit geführt.

Patrice Fuchs: Die Wahlbeteiligung war auch vor der Regierung Schüssel nicht sehr hoch. Gerade sie wird die Leute wieder motivieren, zur Wahl zu gehen. In solchen Zeiten werden Interessensvertretungen umso wichtiger. Das merkt man auch in der Debatte um die Pensionsreform. Ich glaube, die niedrige Wahlbeteiligung liegt vor allem daran, dass man aus dem Uni-Metier sehr schnell herauswächst. Sie kann nicht nur an den "Karteileichen" liegen.

Die Furche: Tatsache ist, dass die Studierendenzahlen nach Einführung der Studiengebühren um 20 Prozent geschrumpft sind. Welche Kollegen haben sich hier verabschiedet?

Fuchs: Über die Gründe des Studienabbruchs gibt es im Bildungsministerium eine aktuelle Studie, nur wird sie nicht veröffentlicht. Der Prozentsatz an prüfungsinaktiven Studierenden - rund 20 Prozent - hat sich jedenfalls nicht wesentlich verändert. Und trotzdem sind 45.000 Studierende ausgeschlossen worden.

Rohr: Ich glaube schon, dass ein gewisser Teil dieser Studierenden "Karteileichen" waren, aber es hat sicher auch einige getroffen, die neben der Berufstätigkeit studiert haben, und die durch die Gebühren vertrieben wurden.

Die Furche: Als Reaktion auf die Studiengebühren will die AktionsGemeinschaft die Universitäten mit einer "Geld-zurück-Garantie" zu mehr Service und Qualität zwingen.

Rohr: Nachdem die Abschaffung der Gebühren unter dieser Regierung nicht realistisch ist, wollen wir das Beste für die Studierenden herausholen. Wenn die Leistung der Universität nicht passt, soll man die Studiengebühr zurückbekommen.

Fuchs: Ich verstehe nicht, dass man solche Schritte setzt, die de facto zu einer Zementierung der Gebühren führen, wenn man eigentlich dagegen ist. Das kommt einer Akzeptanz gleich und ist politisch-taktisch nicht sehr klug.

Rohr: Nein. Die Leute haben einfach genug, für eine Leistung zu zahlen, die nicht gegeben ist. Viele haben das Gefühl, wie der letzte Dreck behandelt zu werden. In diesem Sinn sind die Studiengebühren ein Druckmittel.

Fuchs: Das heißt: Wer zahlt schafft an. Wenn man so denkt, könnte man auch sagen: Wer noch mehr zahlt, schafft noch mehr an. Das ist eine Entwicklung, die in den USA dazu führt, dass Professoren Studierende nicht durchfallen lassen können, weil sie ja für das Studium bezahlt haben. Dass es auch bei uns solche Überlegungen gibt, zeigt schon der kurzfristige Vorschlag von Ministerin Gehrer vor einigen Monaten, dass die Höhe der Studiengebühren freigegeben werden soll.

Rohr: Ich glaube, die Leute haben einfach das Recht auf eine entsprechende Leistung. Und wenn die Studiengebühren fallen sollten, haben sie weiterhin dieses Recht.

Die Furche: Die Aussichten, dass die Leistungen besser werden, sind aber schlecht: Trotz Gehaltssteigerungen und den Kosten für die Implementierung des Universitätsgesetzes haben die Unis heuer mit knapp 1,47 Milliarden Euro nicht mehr Geld zur Verfügung als im Vorjahr.

Fuchs: Das sind gesellschaftspolitische Entwicklungen, die wir schon seit Jahren kritisieren. Man macht die Unis selbstständig, gibt ihnen weniger Geld und treibt sie so in eine Fremdfinanzierung und zur Einführung von Studiengebühren. Dahinter steckt ein neoliberales Gedankengut, was dazu führt, dass die Unis zur Elitestätten werden, wo die Wirtschaft ein massives Mitspracherecht hat. Das ist schon jetzt durch die Auswahl der Uniräte passiert.

Rohr: Die finanzielle Ausstattung der Unis ist tatsächlich ein Problem, auch deshalb, weil die Ministerin bei den Verhandlungen zum Unigesetz den Rektoren etwas anderes versprochen hat.

Fuchs: Aber Euer Geld-Zurück-Modell findet sie besonders gut ...

Rohr: Wenn sie das gesetzlich verankert, finde ich das toll. Ihr hingegen habt utopische Forderungen. Euer Studienförderungsmodell, bei dem jeder Studierende 350 Euro Bildungsförderung statt der Familienbeihilfe bekommen soll, kostet 400 Millionen Euro. Woher soll dieses Geld kommen?

Fuchs: Dazu wollen wir den Familienlastenausgleichsfonds umschichten. Im Sinn der Umverteilung sollen Eltern, die Spitzenverdiener sind, weniger oder keine Familienbeihilfe mehr bekommen. Dafür wird an alle Kinder ab dem Moment ihres Studiums oder einer anderen Ausbildung 350 Euro ausbezahlt. Um das finanzieren zu können, muss man nur rund zehn Prozent der jetzigen Familienbeihilfe einsparen.

Rohr: Das ist nicht finanzierbar. Wir wollen realistische Dinge umsetzen. Wir finden es gut, wenn die Universitäten unter Druck kommen. Bisher sind die ÖH-Vertreter bei den Verhandlungen zwischen Unis und Ministerium oft unter die Räder gekommen. Bei entsprechendem Druck werden die Rektoren das Geld für besseres Service schon auftreiben. Das beste Beispiel ist, dass nun auch der Rektor der TU Wien, Peter Skalicky, die Geld-zurück-Garantie einführt.

Die Furche: Durch das neue Universitätsgesetz ist auch die studentische Mitbestimmung an den Unis unter die Räder gekommen. Ist es aber nicht fair, wenn diejenigen entscheiden, die auch Verantwortung tragen?

Rohr: Es war sicher problematisch, dass die Studierenden früher überall mitbestimmt haben. Doch jetzt gibt es durch die Mehrheit der Professoren nicht einmal eine Mitsprache in den Bereichen, die Studierende betreffen.

fuchs: Die Professoren sind außerdem meistens sehr weit weg von den Studierenden. An der Kunstakademie gibt es Professoren, die in Mexiko leben und nur manchmal eine Videokassette von sich schicken. Noch weniger Bezug zur Universität haben die Uniräte, die vollkommen extern sind. Umso unlogischer ist es, dass sie die Leitungsorgane der künftigen Unis darstellen. Es stört uns übrigens auch, wenn Burschenschafter und Rechtsextreme als Uniräte bestellt werden. Die AG hat sich bisher dazu in keiner Weise kritisch geäußert.

Rohr: Das stimmt nicht: Wir verurteilen das massiv, denn die Universitäten sollten unabhängig sein. Das ist in Österreich besonders schwer, denn schwarz-blau hat in Wahrheit alle Universitätsräte in entsprechender Farbe besetzt. Das haben wir mehrmals kritisiert.

Die Furche: Nach Meinung der AktionsGemeinschaft muss die ÖH politisch sein, sollte aber nicht parteipolitisch agieren. Ist die Hochschülerschaft ein bloßer Serviceverein?

Rohr: Sie ist schon mehr, nur sollte sie sich auf Hochschul- und Bildungspolitik konzentrieren. Es kann nicht sein, dass die ÖH als verlängerter Arm der Oppositionsparteien dient.

Fuchs: Erstens haben wir selbst mit 17 Broschüren das beste Service angeboten, seit es die ÖH gibt. Zweitens ist es gesetzlich verankert, dass wir gesellschaftspolitisch agieren sollen. Es stehen schließlich Fraktionen zur Wahl, die auch von verschiedenen Gesinnungen geprägt sind.

Rohr: Das Problem ist, dass die ÖH-Führung überall engagiert war, wo auch die SPÖ mitgespielt hat, und konkret nichts erreicht hat - ob beim Sozialstaatsvolksbegehren oder bei der Pensionsreform.

Fuchs: Wenn wir schon von parteipolitischer Unabhängigkeit sprechen: Jene Leute, die das Geld-zurück-Modell unterstützen, sind durchwegs ÖVP-Menschen.

Rohr: Nicht ganz. Am Wochenende haben in einer Presseaussendung auch Josef Broukal und Erwin Niederwieder die Einführung begrüßt - beide bekanntermaßen Wissenschaftssprecher der SPÖ.

Fuchs: Broukal hat sich hier unqualifiziert geäußert. Aber Niederwieser hat die Aussage ohnehin wieder zurückgezogen.

Die Furche: Die ÖH gilt als Kaderschmiede für Parteien. Haben Sie selbst Lust auf mehr Parteipolitik?

Rohr: Also ich nicht. Parteipolitik ist nichts für mich.

Fuchs: Das Spannende an der ÖH ist, dass man relativ große Freiheiten hat und trotzdem Akzente setzen kann. Die Parteipolitik wäre mir zu wenig Konzeptarbeit. Da möchte ich lieber Psychotherapeutin werden.

Das Gespräch moderierte Doris Helmberger.

ÖH-Wahlen

Rund 200.000 Studierende - ordentliche Hörer der staatlichen Universitäten, Privat-Unis und Pädagogischen Akademien - sind zugelassen, wobei ein Anstieg der traditionell niedrigen Wahlbeteiligung erwartet wird (zuletzt nur 28 Prozent). Mit 15 Mandaten in der 45-köpfigen Bundesvertretung wurde die VP-nahe AktionsGemeinschaft/AG zwar 2001 wieder stimmenstärkste Fraktion, verlor aber den Vorsitz an eine Koalition aus Grünen und Alternativen StudentInnen/ GRAS (12 Mandate), dem Verband Sozialistischer StudentInnen/VSSTÖ (11 Mandate) und dem Kommunistischen StudentInnenverband/KSV (2 Mandate). Letzterer schied im vergangenen Sommer aus der Koalition aus. Während Anita Weinberger (GRAS) im ersten Jahr den ÖH-Vorsitz innehatte, übernahm zuletzt Andrea Mautz (VSSTÖ) das Kommando in der ÖH-Exekutive. Insgesamt werden diesmal zwölf Fraktionen zur Auswahl stehen, darunter die Fachschaftslisten Österreich/FLÖ und das Liberale StudentInnenforum/LSF (2 Mandate) sowie der Ring Freiheitlicher Studenten/RFS (1 Sitz).

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