Zentrale Inkompetenz

Werbung
Werbung
Werbung

Ach ja, die Bundesländer. Man muss sich das so vorstellen: Da arbeitet die Unterrichtsministerin eine zukunftsweisende Reform der Matura aus, wie stets auf Augenhöhe und in bestem Einvernehmen mit den Betroffenen, also Schülern, Eltern, Lehrern. Und dann wagt sie sich hinaus aus ihrem Büro am Minoritenplatz, verlässt die Stadt und begibt sich ins ungesicherte Gelände der Provinz, wo sie feststellen muss: Die sind einfach noch nicht so weit. Und da gehabt sich dann eine wie Claudia Schmied auch nicht so, fährt nicht drüber, sondern legt für die, bei denen ’s halt ein bisschen länger dauert, gern noch ein Jahr drauf …

Nein, im Ernst: Die Erklärung, die Unterrichtsministerin Claudia Schmied für die - durchaus sinnvolle - Verschiebung der Zentralmatura geboten hat, war eine ziemliche Chuzpe. Der wahre Grund für die plötzliche Einsicht dürfte recht banal sein: In der ZIB2 nach einer kolportierten Amtsmüdigkeit befragt, konterte Schmied ganz spontan: "Das stimmt gar nicht“, sie würde "nichts lieber“ als auch in der kommenden Legislaturperiode für Unterricht und Kunst zuständig sein. Da war sie sehr authentisch. Gut möglich, dass sie gespürt hat, dass es - auch in der eigenen Partei - nicht allzu viele gibt, die "nichts lieber“ als eine Fortsetzung ihrer Tätigkeit sähen. Die Verschiebung wäre demnach als Reaktion auf zunehmenden Druck und Versuch den eigenen Kopf über 2013 hinaus zu retten deutbar …

Im Idealfall mehr Wettbewerb

Ob ihr das gelingt, bleibt abzuwarten. Die Begeisterung der Betroffenen über die Verschiebung dürfte sich jedenfalls in Grenzen halten, zumindest was die Lehrerinnen und Lehrer betrifft. Zu viel an Vorbereitungen wurde hier schon investiert, gerade auch im "Problemfach“ Mathematik - und dies gewiss auch in den Bundesländern. Nun ist also alles wieder anders. Aber soll sein - das ist nicht das Hauptproblem. Die entscheidende Frage ist natürlich, was am Ende des Tages herauskommt: Wie viel wird die Zentramatura wert sein?

Die Grundidee ist gut und richtig: Vergleichbarkeit der Ergebnisse (Leistungen), der Lehrer ist - bei der entscheidenden Abschlussprüfung, die den Weg zum Universitätsstudium eröffnet - nicht mehr gleichzeitig Coach und Prüfinstanz. Idealtypisch gedacht, müsste es mehr Wettbewerb unter den Schulen geben, weil deutlich würde, welche besser auf die Matura vorbereiten und welche schlechter.

Kompetenz statt Wissen

Stutzig sollte indes der mit der Zentralmatura untrennbar verbundene Schlüsselbegriff machen: Kompetenz. Das ist dem Wortsinn nach natürlich eine gute Sache - wer wünscht sich nicht kompetente Mitarbeiter? Aber wohlklingende Begriffe eignen sich, zumal in der politischen Auseinandersetzung, auch hervorragend als Nebelgranaten. Kompetenz dürfte in diesem Kontext nicht als Gegenbegriff zu Inkompetenz verstanden werden, sondern vielmehr zum überkommenen, angeblich überholten "bildungsbürgerlichen“ Wissen. Nein, es werde keine Nivellierung nach unten geben, wird den Skeptikern entgegengehalten. Als könnte es überhaupt eine Nivellierung nach oben geben! Erste Erfahrungen im Zuge der Vorbereitungen auf die Zentralmatura scheinen freilich genau diese Befürchtungen zu bestätigen.

Damit wäre die Zentralmatura ein weiterer Schritt hin zu jener "Wissensgesellschaft“, über die Konrad Paul Liessmann spottete, es sei " beruhigend zu wissen, dass man auch ohne Wissen“ in ihr "Erfolg haben wird“.

Aber das alleine Claudia Schmied anzulasten, wäre ungerecht (fast genauso ungerecht wie ihr Abwälzen der Verantwortung auf die Bundesländer). Sie folgt hier nur einem Zug der Zeit, der in dem Kalauer "Wissen ist Macht - Nicht-Wissen macht auch nichts“ etwas plakativ aber dennoch recht treffend auf den Punkt gebracht wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung