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Zentrum der Kompetenz-Eliten

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Doch derzeit leben wir dankbar in funktionierenden Abhängigkeiten und wollen uns darin nicht stören lassen.

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Doch derzeit leben wir dankbar in funktionierenden Abhängigkeiten und wollen uns darin nicht stören lassen.

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Vom Bürgermeister konnten wir es in den vergangenen Wochen täglich hören: Wien zählt zu den bestverwalteten Städten der Welt, die Straßen sind sicher und sauber, der Verkehr und die Müllabfuhr funktionieren, Luft und Wasser sind (noch) rein, und Kultur gibt es in Hülle und Fülle. Was also soll man sich von einer Stadt wünschen, in der ohnedies alles in Ordnung ist?

Die magistral zur Schau gestellte Selbstzufriedenheit wird in Wahlzeiten ganz besonders demonstriert. Daran führt auch für die anderen Parteien kein Weg vorbei. Kritik äußert sich leise, fernab der „gutturalen Bücklinge” auf Künstlerfesten und Wahlpartys - dort, wo Kompetenz nicht mit Prominenz verwechselt und wo Verantwortung für das Gemeinwohl noch ernst genommen wird. Wien steht heute für ein Europa, das aus der Schocklähmung der Nachkriegszeit erwacht ist. Freilich mit angeschlagenem Selbstverständnis und ausgeprägter Batlosigkeit: wir sind glücklich über das Ende der Teilung Europas - und gleichzeitig irritiert über den Verlust unserer alten und vertrauten Bolle darin.

Dieser Konflikt ist durch keinen Kompromiß aufzulösen. Er kann freilich ignoriert und verdrängt werden. Das geschieht in der Heimatstadt Sigmund Freuds in beängstigendem Ausmaß. So leben wir in dieser Stadt dankbar in funktionierenden Abhängigkeiten, und wollen durch keinerlei Veränderungen dabei gestört werden.

Doch sollte man dabei nicht vergessen, daß dies alles politische und wirtschaftliche Auswirkungen hat, weil es die Haltung der Akteure entscheidend prägt: Wien bietetheute Sicherheit und Lebensqualität, freilich auf Kosten von Aufbruchsstimmung und Dynamik. Erst jüngst hat Dietmar Steiner, der Leiter des Architek-turZentrums Wien, bitter diagnostiziert, Wien würde Gefahr laufen, „in den nächsten Jahren zu einem denkmalgeschützten Museum der mitteleuropäischen Idee zu erstarren”.

Derartige Widersprüche lassen sich weder durch tagespolitischen Aktionismus, noch durch Parteikonzepte zur Stadtpolitik auflösen. Dynamik läßtsich nicht politisch verordnen. Sie entsteht in kreativem Umfeld, das attraktiv für Investoren, Zukunftsbranchen und leistungsbereite Menschen wirkt. Was wir in Wien daher brauchen, sind Konzepte offensiver Struktur- und Standortpolitik. Eine grundsätzliche Diskussion über die Positionierung dieser Stadt im europäischen Konkurrenzumfeld. Und dieses Konkurrenzumfeld ist nicht London, Paris oder Berlin, sondern

Budapest, Prag, Laibach und Mailand.

Nach einer Überlegung des amerikanischen Arbeitsministers Bobert B. Beich wird sich die Zukunft der Arbeit in drei Kategorien abspielen: Boutinearbeit in der Produktion, persönliche Dienstleistungen sowie symbolisch-analytische Dienstleistungen. Während die ersten beiden Bereiche aus eher einfacher (und zunehmend schlecht bezahlter) Arbeit bestehen, ist die dritte Kategorie ein Bereich von hoher Wertschöpfung, der mit Problemlösung im weitesten Sinne zu tun hat. Er wird geleistet von Rechtsan-wälten und Maklern, Werbe- und Marketingfachleuten, Designern, Verlegern, Journalisten, Organisationsspezialisten, Computerfachleuten, Softwarei n gen ieuren, Begisseuren, Fernseh- und Filmproduzenten, Marktforschern, Biotechnikern und Grundlagenforschern.

Zukunftsorientierte Standort- und Strukturpolitik muß sich daher auf diesen dritten Bereich konzentrieren. Was hindert uns daran, Wien zu einem Kompetenz-Zentrum einer internationalen Elite von Geistesarbeitern zu machen? Wien war immer schon eine Stadt der „begrenzten Unmöglichkeiten” - was durchaus auch positiv, nämlich im Sinne von Risikobereitschaft und politischer Weitsicht, verstanden werden kann. Dazu bedarf es allerdings der Entwicklung von Leitprojekten, welche das in dieser Stadt beheimatete kreative Hu-_________ mankapital stimulieren. Seit der fatalen Absage der Weltausstellung durch Volksbefragung gibt es kein I^eitprojekt mehr in der österreichischen Hauptstadt. Die Entwicklung derartiger Projekte ist jedoch eine zentrale kulturpolitische Aufgabe, welche über die bloße Subventionierung von Kunst weit hinausgehen muß. Im Bahmen dieses kurzen Beitrages sollen dazu zwei Ideen in Stichworten genügen:

■ Ausbau der Filmstadt Wien zu einem internationalen Produktionsund Dienstleistungszentrum durch geeignete strukturpolitische Maßnahmen sowie eine Änderung der gegenwärtigen Förderungspolitik. Damit könnten innerhalb von fünf Jahren etwa 3.000 hochwertige Arbeitsplätze gesichert beziehungsweise neu geschaffen werden.

■ Gründung eines Europäischen Kompetenz-Zentrums für Design („New College of Design”), welches vor allem Entwicklungs- und Ausbildungsaufgaben auch in Richtung Beform-länder übernehmen könnte. Ein konkreter Projektvorschlag wurde vom Österreichischen Institut für Formgebung (ÖIF) an die zuständigen Stellen übermittelt.

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