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Zum Kampf um die Schule

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Demokratie, Schule und Freiheit. Von Josef Kadrat. Verlag Carinthia des St.-Josef-Vereine, Klagenfurt. 151 Seiten. Preis 1$ S

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Demokratie, Schule und Freiheit. Von Josef Kadrat. Verlag Carinthia des St.-Josef-Vereine, Klagenfurt. 151 Seiten. Preis 1$ S

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E ist eine äußerst verdienstliche und zeitgemäße Tat, die der hochgeschätzte und bekannte Verfasser durch die Veröffentlichung seines Buches über Demokratie, Schule und Freiheit gesetzt hat. Gerade im jetzigen Augenblick, in dem das Schulproblem, wie man aus zuständigen Kreisen vernimmt, neuerlich der politischen Diskussion zugeführt werden soll, ist et notwendig, daß die kirchlichen und katholisch-orien-tierten Kreise über den gesamten Fragenkomplex eingehend informiert sind. Der Verfasser bringt in einer Uebersicht, die vielleicht etwas zu kurz ist, die historische Entwicklung des Schulwesens und des Schulproblems in Oesterreich. Wenn hier gesagt wird, daß die Uebersicht vielleicht zu kurz ist, so deshalb, weil der Kampf um die christlich-orientierte Schule bzw. die katholische Schule sowie um die katholische Lehrerbildung eine der interessantesten Phasen der jungen katholischen Volksbewegung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist. Aus den Erzählungen meines verstorbenen Vaters, der — was ich gerne in dem Buche gelesen hätte — der erste Direktor der katholischen Lehrerbildungsanstalt in Wien war und die Grundlage des Werkes schuf, auf dem Direktor Gieße aufbauen konnte, weiß ich wie ein persönliches Erlebnis von dem mühevollen und aufopfernden Kampf jener christlichen Männer, die zu Wegbereitern des modernen katholischen Schulwesens in Oesterreich wurden.

Der Verfasser bietet aber auch eine sehr eingehende und gründliche Darstellung der Probleme des Elternrechtes und des Rechtes anderer auf die Erziehung. Gerade in jüngster Zeit wird von sozialistischer Seite vielfach die Behauptung aufgestellt, daß die Forderung nach dem Elternrecht eine moderne Erfindung der katholischen Kirche sei. Wenn nicht bloß mit demagogischen Mitteln operiert werden soll, was im Sinne einer demokratischen Bereinigung der Frage abträglich wäre, so kann den Gegnern nicht genug empfohlen werden, sich mit den Ausführungen des Verfassers vertraut zu machen. Aber auch die wohlgesinnten politischen Kreise werden- wohl daran tun, ihr Wissen hieraus zu bereichern.

Der dritte Teil stellt eine Uebersicht über die teilweise oder ganze Verwirklichung des Elternrechtes in verschiedenen Staaten dar, wobei ich im Falle der Vereinigten Staaten ergänzen möchte, daß die katholischen Schulen in den einzelnen Staaten verschiedene Teilsubventionen erhalten, wie beispielsweise die freie Belieferung mit Licht und Heizmaterial, Schulautobussen und Lehrmitteln, ja daß es sogar katholische Ordensleute an staatlichen Schulen gibt; Allerdings muß auch hervorgehoben werden, daß der Kampf sich zuzuspitzen beginnt, wenngleich auch hier die katholischen Schulen in verschiedener Hineicht eine gute Position haben. Die Stärke der katholischen Schulen in den Vereinigten Staaten liegt vor allem darin, daß das gläubige Volk, dem Willen der Bischöfe entsprechend, seine Kinder in die katho tischen Schulen schickt. Kadras bringt außerdem noch die Beispiele von Italien, der Schweiz, Frankreich, England, Irland, den Niederlanden und schildert die Schulkämpfe in Belgien und Deutschland. Sehr gut ist sein Hinweis auf die Verankerung der Elternrechte in der Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen und im Zusatzprotokoll zur Konvention über die Wahrung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten und die Internationale Vereinigung für die Freiheit des Unterrichtes. Es ist sehr gut, zu wissen, und noch besser, es zu betonen, daß die Vereinten Nationen das Elternrecht als eines der natürlichsten und unabdingbaren Menschenrechte anerkennen. Wenn es die Politik unseres Landes ist, den Beitritt zu den Vereinten Nationen ständig zu fordern, dann kann man sich politisch nicht auf den Standpunkt stellen, daß das Elternrecht eine moderne Erfindung der Kirche sei, das man daher als Privatsache übersehen könne.

Der Verfasser entwickelt im vierten Teil auch einen Lösungsvorschlag zur Verwirklichung der konfessionellen Forderungen an das Schulwesen in Oesterreich. Der Lösungsvorschlag ist selbstverständlich eine Diskussionsgrundlage. Keineswegs ein starres Programm, aber ein Plan, der in vielfacher Hinsicht als Grundlage für die Diskussion dienen kann. In besonderem Maße wird die öffentliche Bekenntnisschule als Ziel aufgestellt, also eine Schule, die vom konfessionellen Schulerhalter ausgeht und durch den Willen der Eltern ins Leben gerufen wird.

Das Schulwesen in Oesterreich ist seit dem Siege des Liberalismus im vergangenen Jahrhundert ein hart umkämpftes Problem. Nirgends erweist sich in den gegenwärtig strittigen Fragen der Politik so sehr als auf diesem und auf anderen konfessionellen Gebieten (Eheschließung usw.), daß das Erbe des Liberalismus der Sozialismus angetreten hat, der ansonsten die Behauptung aufstellt, daß Religion Privatsache sei. Ganz gewiß sind auch von den Anhängern des katholischen Schulwesens Fehler begangen worden, die dazu beigetragen haben, günstige Chancen ungenützt vergehen zu lassen. Das war aber vielleicht gut so, weil der wachsende Widerstand im Lager des Sozialismus, dem sich die rudimentären Reste des Liberalismus im verfallenden Hause der Unabhängigen angeschlossen haben, aufhorchen läßt und zugleich zeigt, daß in einer Demokratie ein katholisches Schulprogramm der weitgehenden Unterstützung aller interessierten Kreise bedarf. Wie bekannt, konzentriert sich ein Teil der Auseinandersetzungen auf die Frage der Subventionierung der katholischen Schulen. Der Verfasser schildert die Bemühungen und das Scheitern in übersichtlicher Form. Es wäre aber auch gut, noch klarer herauszustellen, in welchem Maße die Bildungsmittel der katholischen Schulen denen gleichartiger staatlicher überlegen sind. Ich habe hier das Beispiel einer Bundeserziehungsanstalt für Mädchen vor Augen als einer staatlichen Einrichtung, die zu den teuersten Anstalten Oesterreichs gehört und bis heute weder einen Physik-und Chemiesaal noch einen Turnsaal besitzt. Die Mädchen sind dort in einer Form untergebracht, die bestimmt, würde es sich um eine katholische Lehranstalt handeln, der Kritik der Gegner viele Nahrung geben würde. Wenn man auf der anderen Seite die vorbildliche Lehranstalt der Schulbrüder in Strebersdorf sieht, mit dem ausgezeichneten Chemiesaal, mit einem modernen Schulideal, dann wundert man sich, daß seitens der staatlichen Stellen mit einer oft nicht ganz verständlichen Einseitigkeit Institutionen Förderung erfahren, die ein Vielfaches dessen kosten, was besser eingerichtete Anstalten katholischer Schulorden aufzuweisen haben. Es genügt nicht allein, von Subventionierung zu sprechen, sondern man muß auch darauf hinweisen, ob und in welcher Weise die heute für staatliche Schulzwecke zur Verfügung stehenden Mittel auch tatsächlich richtige Verwendung finden.

Das Buch des Verfassers regt zu vielen Fragen an. Es ist zugleich aber auch ein sehr gutes Vademekum, von dem wir hoffen, daß es möglichst viele zur Hand nehmen, denen an Elternrecht und christlichem Schulgeist in Oesterreich gelegen ist.

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