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Zwischen Fast-Food und Fasten

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Fasten ist „in". Die neueste Diät, eine Entschlackungskur oder gar ein mehrwöchiges Heilfasten in einer der vielen Fastenkliniken oder einem Kurhotel sollen die überflüssigen Kilos wieder zum Schwinden bringen. Was das Fast-Food deformiert hat, soll das Fasten wieder herstellen - die Idealfigur. Gemessen wird diese Idealfigur an Gewichtstabellen, Kleidergrößen und am Blick in den Spiegel.

Eine sehr reduzierte Einstellung, wie die Leiterin des Kurhauses der im burgenländischen Mönchhof gelegenen Abtei Marienkron, Kommerzial-rätin Äbtissin M. Rosaria Golsch (Ocist), findet. Wahres Fasten ist nämlich „ein Weg zur Idealfigur im Sinne von Körper, Geist und Seele", also ein ganzheitlicher Ansatz der Gewichtsreduktion, formulierte sie es in einem kürzlich gehaltenen Vortrag. Häufig zwingen sich Menschen mit Gewalt dazu, einige Kilogramm Körpergewicht herunterzuhungern. Der Erfolg ist aber nicht selten kurz nach Beendigung der Diät wieder dahin. Die Ursache dafür liegt nach Ansicht der Äbtissin unter anderem in der zu starken Fixierung auf die gewünschte Gewichtsabnahme; diese kann dazu führen, daß auch der Stoffwechsel blockiert und kein Gewebe abgebaut wird.

Bei jedem Fasten sollte deswegen zunächst nach der Motivation gefragt werden. „Falsch ist, wenn die Motivation nur von außen kommt", sagt die Äbtissin, wenngleich dies für den Anfang durchaus hilfreich sein könne. Als richtige Motivation zum Fasten bezeichnet sie das innere Bedürfnis nach Reinigung und Einkehr und nach einem Sich-selbst-Finden, welches im letzten in eine Gottesbegegnung mündet.

Schließlich gelte es, das richtige Maß zu finden. „Man soll nicht ständig fasten und auf das Gewicht aufpassen, sondern locker leben". Nimmt man ein bißchen zu, soll man dies durch Fasttage wieder ausgleichen.

Sie selber merke es gleich an ihrem Gürtel, erzählt sie schmunzelnd, wenn sie zugenommen habe.

Was sind nun die Ursachen für die freiwillige Kasteiung, der sich immer mehr Menschen unterziehen? Ist Fasten ein postmoderner Reflex auf den Konsumwahn unserer Zeit? „Die Menschen haben ein Bedürfnis nach Ausgleich", berichtet M. Rosaria Golsch aus ihrer Erfahrung. „Sie wollen aus dem Streß in die Ruhe, aus dem Konsum in die Entbehrung." Lebte man früher in Wochenrhythmen und konnte sich am Sonntag erholen, sind heute die Rhythmen oft bis ins Unmenschliche verlängert. „Ein halbes Jahr Streß, zwei Wochen Urlaub."

Der Gewichtsverlust ist deswegen nur ein Aspekt des Fastens. „Viele Menschen kommen wegen ihres Übergewichtes zu uns", erzählt die Äbtissin, „immer mehr aber, weil sie Erholung und Stärkung brauchen". Eine reduzierte Nahrungsaufnahme bewirkt zunächst eine körperliche Reinigung, wobei stufenweise der Darm, das Blut und schließlich das Gewebe entschlackt werden. Gleichzeitig wird auch der Geist klarer und die Denkfähigkeit geschärft. Mittelalterliche Mönche bereiteten sich durch Fasten auf das Schreiben von Büchern vor. M. Rosaria Golsch sieht im Fasten auch einen sozialen Beitrag, ist es doch „die beste Altersvorsorge". „Viele Menschen sorgen nicht vor, daß sie beweglich und gesund bleiben", sagt die Äbtissin. Im Alter fallen sie dann anderen viel mehr zur Last.

Daß die Menschen für dieses „Zurück zur Natur" einen oft nicht geringen Preis zu zahlen bereit sind, erklärt sich die Äbtissin aus der Erkenntnis heraus, daß diese Art der Erholung „mehr bringt" als irgendein Urlaub womöglich mit Freizeit-Streß und Ärger.

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