Zwischen Wissenschaft und Gesellschaft

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Seit 164 Jahren ist die Österreichische Akademie der Wissenschaften eine fixe Größe der heimischen Wissenschaftsszene. Nun stehen der Institution radikale Reformen ins Haus.

An der gebotenen Würde mangelte es keinen Moment lang, als vergangene Woche der gebürtige Wiener Walter Kohn, Nobelpreisträger für Chemie von 1998, zum Ehrenmitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gekürt wurde. Im Rahmen ihrer alljährlich stattfindenden "feierlichen Sitzung“ tat die Akademie das, was sie besonders gut kann: repräsentieren. Dieser Anhänglichkeit zur Tradition verdankt sich auch das Bild, das die nur peripher informierte Öffentlichkeit von der ÖAW hat. Es ist jenes eines liebenswerten, aber nicht mehr ganz aktuellen Vereins alter Männer, die einst gute oder sogar große Wissenschaftler waren. Tatsächlich aber betreiben zumindest Teile der ÖAW gegenwärtig hochkarätige Forschung am Puls der Zeit.

Handfeste Forschungsresultate

Kapazunder wie Anton Zeilinger oder Josef Penninger erbringen in ihrer Tätigkeit als Direktoren von ÖAW-Instituten nicht weniger herausragende Leistungen als in ihrer Funktion als Universitätsprofessoren. Und die Weltraumorganisationen NASA und ESA lassen sich High-Tech-Messgeräte vom Institut für Weltraumforschung bauen. Trotzdem überstrahlt der Glanz prunkvoller Vergangenheit oft die Aktualität handfester Forschungsresultate. Es ist schwer abzuschätzen, ob die Akademie Österreichs überschätzteste Stätte der Wissenschaft ist oder die verkannteste. Die Gelehrtengesellschaft der ÖAW, gleichsam ihr bewahrender, harter Kern von Mitgliedern, gefiel sich in letzterer Rolle jedenfalls nie schlecht. Gemäß historischer Bestimmung versteht sie sich als Mittlerin zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Gleichzeitig als Beraterin des Staates. Und nun soll alles anders werden?

So gebietet es jedenfalls der Sparwille der Regierung. Vergangene Woche gab das Präsidium der ÖAW seine Pläne für die Zukunft bekannt. Zumindest in groben Umrissen. Doch selbst diese reichen aus, um darin die Architektur einer radikalen Reform zu erkennen. "Es wurde klar, dass die Akademie sich bewegen muss“, sagt ÖAW-Präsident Helmut Denk im Interview (siehe Kasten). Die Unis haben ihr Universitätsgesetz samt Autonomie bereits 2002 bekommen, Seibersdorf seinen Sanierer Hannes Androsch. Den kleinen außeruniversitären Forschungseinrichtungen strich Ex-Ministerin Beatrix Karl gleich komplett das Budget. Die ÖAW verblieb als letzte Bastion, die sich dem Gebot der Leistungsmaximierung bei gleichzeitiger Budgetminimierung beharrlich verweigerte. Bis jetzt.

Nun erhält die ÖAW eine neue Organisationsstruktur. Künftig soll das Präsidium über mehr Entscheidungsbefugnisse verfügen. Bestehend aus Präsident Helmut Denk, Vizepräsident Arnold Suppan sowie den beiden Präsidenten für die philosophisch-historische und die mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse, Sigrid Jalkotzy-Deger und Georg Stingl, wird es als operative Entscheidungsinstanz die Geschicke der Akademie leiten. Dem Präsidium zur Seite steht der neu gegründete, 14-köpfige Akademierat. Seine Funktion umfasst beispielsweise Einspruchsrechte bei Errichtung oder Schließung von Instituten. Zusätzlich wurde ein Direktor für Finanzen und Administration bestellt, der als operativer und Finanzcontroller in Personalunion nach dem Rechten sehen soll. Die Gesamtsitzung, im Selbstverständnis vieler Akademiemitglieder quasi das Herz der ÖAW, wird nach offizieller Sprachregelung zwar nicht entmachtet. Sie bleibt in Zukunft aber auf Entscheidungen, die die "allgemeine Strategie“ betreffen, beschränkt.

Auch hinsichtlich der Forschungseinrichtungen ist eine Verschlankung angesagt. Aus derzeit 63 sollen 53 werden. Insbesondere werden die 33 Kommissionen geschlossen oder bestehenden Einrichtungen eingegliedert.

Geringe Frauenquote, hoher Altersschnitt

Mit all dem kommt die Akademie Forderungen seitens des Ministeriums nach, die nicht neu sind. Ihre Diskussion reicht fast eine Dekade zurück. Auf der einen Seite haben sie vier Wissenschaftsminister, auf der anderen vier ÖAW-Präsidenten begleitet. Nun scheint es endlich ernst zu werden. Zugleich sind die Reformen Voraussetzung für die eigentliche Schlüsselmaßnahme, die neu gestaltete Finanzierung der ÖAW. Ihr Budget wird künftig nämlich, nach dem Vorbild der Universitäten, mittels Leistungsvereinbarungen für drei Jahre im Voraus mit dem Wissenschaftsministerium verhandelt. Heißt im Klartext: erfüllt die ÖAW vereinbarte Leistungen wie eine große Anzahl an Publikationen, ein modernes Qualitätsmanagement oder Verstärkung internationaler Kooperationen, dann gibt es mehr Geld. Wenn nicht, dann weniger. Helmut Denk wünscht sich für die erste Periode, 2012 bis 2014, jedenfalls eine Basisfinanzierung von 120 Millionen Euro pro Jahr. Die Verhandlungen haben gerade erst begonnen. In der Vergangenheit musste das Budget der Akademie jedes Jahr neu ausverhandelt werden. Ein verstecktes Problem könnte hinter den Leistungsvereinbarungen dennoch lauern. Denn die weitaus meisten aktiv forschenden ÖAW-Wissenschaftler sind gleichzeitig an einer Universität beschäftigt.

Das könnte einen Interessenskonflikt bedeuten. Dergestalt, dass sich leitende Wissenschaftler entscheiden müssen, ob sie besonders vielversprechende Projekte an ihrer Heimuni oder an der Akademie durchführen wollen. Beide hätten natürlich großes Interesse daran, die späteren Forschungsresultate dem Ministerium als Leistungsbeleg vorweisen zu können.

Zwei strukturelle Merkmale, die sich wohl nicht so rasch ändern lassen, sind die geringe Frauenquote und der hohe Altersschnitt im engen Kreis der Akademie, jenem der "wirklichen“ Mitglieder. Nur 7,4 Prozent sind weiblich, dafür rund drei Viertel über 65 Jahre alt. Da es der Gelehrtengesellschaft zukommt, die künftige Forschungsstrategie der Akademie mitzubestimmen, ist die Frage gestattet, ob diese wirklich den aktuellen Status Quo der internationalen Wissenschaft repräsentiert. "Mehr Frauen“ und "jüngere Mitglieder“ lautet darauf die Antwort des Präsidiums als Ziel für die Zukunft. Ob es ihm gelingen wird, traditionelle Gelehrsamkeit und das moderne Verständnis von Wissenschaft als Brotberuf unter ein harmonisches Konzept zu bekommen bleibt gleichermaßen zu hoffen wie abzuwarten.

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