#48 „Die Russen kommen!“

19451960198020002020

Zurück auf dem Boden der Tatsachen

19451960198020002020

Zurück auf dem Boden der Tatsachen

Werbung
Werbung
Werbung

Generationenkonflikt kann man das nicht nennen. Denn meine Generation kennt diesen Konflikt nicht. In unserer Weltanschauung gehört er der Vergangenheit an. Wir haben gelernt, dass dieser Konflikt uns nicht betreffen wird. Niemals. Er ist Geschichte.

„Der Urlaub, den Europa von der Geschichte seit 30 Jahren genossen hat, ist vorbei“, sagt Außenminister Alexander Schallenberg heute im Ö1 Morgenjournal. Dieser „Urlaub“ bildete für uns die Basis aller Grundwerte, Lebenskonzepte, Zukunftsvisionen: In Europa herrscht Vernunft. Demokratie. Rechtstaatlichkeit. Über rohe Gewalt haben wir uns längst erhoben. Europa ist immerwährende Sicherheit.

„Bei vielen jungen Menschen in Europa findet gerade eine massive Desillusionierung statt“, schreibt Stefan Lenglinger auf Twitter und trifft mein Empfinden bis ins Mark. „Dass in Europa Panzer über Staatsgrenzen rollen und Raketen auf Dächer hageln, das kannten wir nur […] aus Romanen, aus Spielfilmen, auch aus Geschichtsbüchern und Dokumentationen.“ Der Zeit im Bild-Moderator ist, so wie ich, 1993 geboren.

„Die Russen kommen!“, riefen wir als Kinder im Spiel, wenn wir irgendwo ein lautes Geräusch hörten. Die Großeltern erzählten uns von Gräueltaten der 40er Jahre, zeigten uns Fotos von gefallenen Angehörigen. Wir speicherten sie als Geister der Vergangenheit im Gedächtnis ab.

Heute sehe ich Bilder von ukrainischen Frauen, bewaffnet und dem Anschein nach jünger als ich. Ich schäme mich für mein kindliches Spiel, für meine Naivität als Erwachsene. Werden die jungen Ukrainerinnen eines Tages ihren Enkelkindern von den Gräueltaten der 20er Jahre berichten? Oder ist dies eines der letzten Fotos, das es von ihnen geben wird?

Der Konflikt ist Gegenwart. Auch meine Generation wird sich mit ihm auseinandersetzen müssen.

Digital Dirndl V2 - © Illustration: Rainer Messerklinger

Ihre wöchentliche Portion Digital Dirndl

Aufgewachsen im Weinviertel, dann übersiedelt nach Wien, ist Margit Körbel mittendrin im Konflikt von gemütlicher Landidylle und rauschendem Stadtleben, Traditionen und deren Bruch, Millennials und Babyboomern. Wöchentlich schreibt Sie von Ihren Erlebnissen. Hier kostenlos abonnieren.

Aufgewachsen im Weinviertel, dann übersiedelt nach Wien, ist Margit Körbel mittendrin im Konflikt von gemütlicher Landidylle und rauschendem Stadtleben, Traditionen und deren Bruch, Millennials und Babyboomern. Wöchentlich schreibt Sie von Ihren Erlebnissen. Hier kostenlos abonnieren.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung