#50 Kauf dir was Schönes!

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Zum Geburtstag einen Mikrokosmos

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Zum Geburtstag einen Mikrokosmos

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Zu meinem 20. Geburtstag schenkte mir mein kleiner Bruder zwanzig 20-Cent-Stücke. „Kauf dir was Schönes drum“, hatte er in die selbst gebastelte Karte geschrieben. Daneben den Hinweis, dass es insgesamt vier Euro sind, über die ich nun verfügte. Er war damals halb so alt und nicht viel mehr als halb so groß wie ich.

Am Wochenende feierte mein Bruder seinen 20er. Er ist mittlerweile etwas gewachsen und wird demnächst als Student nach Wien übersiedeln. In Anlehnung an sein großzügiges Geschenk von vor zehn Jahren besorgte ich ihm zwanzig Dinge, die er als Neuankömmling in der Großstadt brauchen könnte:

Einen Plan des Wiener Öffi-Netzwerkes (für Menschen vom Land eine Überforderung sondergleichen). Ein stabiles Fahrradschloss (nach zwei Diebstählen ist mein Schloss wertvoller als der damit gesicherte Drahtesel). Einen College-Block und mehrere Kugelschreiber (Retro, aber nützlich). Instant-Nudeln (das Wort „Kochen“ steckt ja bereits in „Wasserkocher“). Energydrinks für nächtliche Lerneinheiten und diverse Mixgetränke (die Billigmarke versteht sich).

Das fertige Paket ist ein Mikrokosmos meiner ersten Jahre in Wien. Beim Betrachten der einzelnen Dinge sehe ich mich am Schreibtisch meines WG-Zimmers ungewohnt kompliziert geschriebene Texte entziffern. In den Clubs entlang des Wiener Gürtels Cocktails für zwei Euro schlürfen. Während einer Vorlesung um acht Uhr morgens im Audimax einschlafen.

Was ich mir „Schönes“ um die zwanzig 20-Cent-Stücke gekauft habe, weiß ich nicht mehr. Vielleicht ein paar Cocktails – würde zumindest die Erinnerungslücke erklären.

Digital Dirndl V2 - © Illustration: Rainer Messerklinger

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Aufgewachsen im Weinviertel, dann übersiedelt nach Wien, ist Margit Körbel mittendrin im Konflikt von gemütlicher Landidylle und rauschendem Stadtleben, Traditionen und deren Bruch, Millennials und Babyboomern. Wöchentlich schreibt Sie von Ihren Erlebnissen. Hier kostenlos abonnieren.

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