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Digital In Arbeit

Fußgänger

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Nach der Chorprobe gehen alle ins Gasthaus. Auch nach -L 1 anderen Anspannungen weiß man, wie man sie angenehm ausklingen lassen kann. Zur Probe mit dem Auto; ins fünfzig Meter entfernte Gasthaus natürlich auch nicht zu Fuß, sondern wieder mit dem Auto - damit anschließend die Strecke zurück zum Auto nicht etwa zu Fuß bewältigt werden muß. Darauf angesprochen, daß solches Tun unerlaubt sei, lachen einen alle aus: Ja, g'rad so kennen wir ihn, unseren naiven Natur- ' Schützer. Hermann Knoflacher zur FURCHE: „Wir haben verlernt, uns verantwortlich zu verhalten. Die Ethik ist uns abhanden gekommen in fast allen Bereichen ...”

Das ist es. Es ist bekannt, daß die Wähler der Grünen weit über dem Durchschnitt mit Auto und Flugzeug unterwegs sind. Sie finden dafür alle nur möglichen Ausreden - nur die eine, daß Autofahren sehr oft viel bequemer ist als die Pendle-rei in einem überfüllten Schülerzug, will ihnen nicht und nicht einfallen. Ich gehe, wenn es geht, zu Fuß in die Arbeit. Gehzeit gut eine Stunde. An einem einzigen Frühlingstag sah ich dabei einen bellenden Rehbock, zwei heftig streitende Eichkätzchen; fand ich ein 10-Schilhng-Stück; traf ich einen alten Freund. Gefährlich sind nur die vier Stellen, an denen mein Pfad den Straßenverkehr zu kreuzen hat. Keiner bleibt da stehen, weil ich ja nur ein Fußgänger bin ...

Natürlich hat nicht jeder einen so schönen Weg zur Arbeit wie ich. Aber alle aus meinem Dorf hätten doch den gleich schönen. Auf Hunderte Autos (aus unserem Dorf jeden Morgen in die Landeshauptstadt) kommt ein Fußgänger; „Wir haben verlernt, uns verantwortlich zu verhalten.” In der Stadt gelte ich schon als halber Narr: Daß ich für den Weg ins Büro meine Füße gebrauche, stand als Absonderlichkeit in der Zeitung.

Wer nicht mit mir geht, liefert täglich den Beweis dafür, daß die Autofahrer nicht die Melkkühe der Nation sind. Wer statt mit öffentlichen Verkehrsmitteln mit dem Auto zur Arbeit fährt (oder zur Chorprobe, zum Tennis, zum Joggen), der sollte aufhören, das Wort Umweltschutz oder das von der Verantwortung für die künftigen Generationen je noch in den Mund zu nehmen. Es ist ärgerlich, täglich auf frischer Tat ertappt zu werden.

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