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Goethe hatte es noch besser
Langsam - je älter ich werde, umso heller - geht mir ein Licht auf. Und zwar bezüglich der sogenannten guten alten Zeit. Das Gejammer nach ihr kann nicht aus der Luft gegriffen sein, es muß was auf sich haben.
Nicht, daß der Wein früher besser gewesen wäre. Oder die Paradeiser. Sehr wohl aber, glaubt man Herrn von Goethe, die Menschen. Er schreibt: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut.” Ich weiß, es ist der Optativ. Doch der Satz geht ja weiter: „Denn das unterscheidet ihn ...” und so weiter. Unterscheidet also. Nicht unterscheide. Eine Feststellung. Die muß der Herr Geheimrat ja von wo gehabt haben. Am ehesten aus seiner Umwelt.
Ich aber fahre mit meinem Auto auf unseren Straßen. Und was erlebe ich? Bosheit, soweit mein Auge und mein Ohr reichen. Bosheit als Selbstzweck, was beachtenswert ist.
Da hat mich gerade einer überholt. Was ihm zu seiner Genugtuung aber nicht reicht. Er fährt nach dem Manöver jäh nach rechts, auf meine Spur. Schneidet mich gefährlich. Und steigt auf die Bremsen. Dann erst rast er weiter. Ich hatte ihm nichts getan, es sei denn, meine bloße Anwesenheit auf dieser Welt hat ihn erregt. Er hat es einfach so gemacht.
Da will ich selber einen überholen. Er fährt sehr langsam, ein Kinderspiel, ihn hinter mich zu bringen. Jetzt aber bemerkt er meine Absicht. Und zieht sein Vehikel schnell, ehe es zu spät ist, nach links, quasi vor meinen Plan. Läßt mich nicht. Einfach so.
Da parke ich. Es ist eine gottverlassene Straße, leer, so etwas gibt es. Als ich nach einer Stunde zu meinem Auto komme, steht vor und hinter ihm, kein Zentimeter ist dazwischen, je ein Auto. Die zwei haben das meinige eingezwickt. Einfach so.
Da fährt mein Nachbar jeden Tag um halb sieben, wenn ich frühstücke, vor mein Fenster und läßt den Motor seines Autos zwei Minuten lang am Stand laufen. Bumpelstilzchen nicht unähnlich sitzt er dabei am Volant und starrt zu mir hinauf. Vielleicht stellt er sich vor, daß ich jetzt wütend ob Buhestörung und Luftverpestung durch die Zimmer rase. Tatsächlich rechne ich mir aus, wie lange das dieser Motor noch aushält.
Bosheit straft sich in der Begel nämlich selber. Das wissen die Boshaften allerdings nicht, sie können den meist erlittenen Schaden auf Grund ihrer eingeengten Gehirnkapazität mit ihren Betreibungen nicht in ursächlichen Zusammenhang bringen.
Allerdings trifft der erwähnte Schaden lediglich das Individuum.
Die Gattung der Boshaften ist bislang nicht betroffen.
Ich will ja nicht unken. Aber ir-gendeinmal, vermutlich bald, wird die Bosheit alles überwuchern. Das aber ist der Moment, da es ihr ergehen wird wie einstens den Dinosauriern. Sie wird aussterben.
Bis dahin allerdings muß ich warten. Die mir immer öfter dargebotenen Handzeichen der Autofahrer aber, vom zum Kreis geformten bis zum ausgestreckten Fingerchen, deuten darauf hin, daß ich es nicht mehr lange zu tun brauche. Und dann kommt sie. Die neue gute alte Zeit.
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