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Outen ins Out

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In der guten alten Zeit war die Jahreswende die Zeit der guten neuen Vorsätze. Zeitgeistig läuft es jetzt aber ganz anders. Zu Silvester werden von den Medien jene „In"- und „Out-Listen" veröffentlicht, die uns dann unerbittlich dabei „helfen" sollen, gesellschaftlich „in" zu sein.

Ich wünsche mir für 1996, daß die Journalisten das Outing auf die Spitze der „Out-Liste" setzen. Das wird vielen schwerfallen. Zum einen sind erzwungene oder „freiwillige" Outings Kraftfutter für die ständig steigende Zahl der Voyeure und Voyeusen. Zum anderen haben einige Journalisten selbst Gefallen am ganz persönlichen politischen Outing gefunden. Warum und wofür eigentlich?

Die „liebenswerte" Form des Outings fand Anfang Dezember statt. Da taten Prominente in einem Magazin kund, was sie ihrer oder ihrem Liebsten vier Wochen später zu Weihnachten als Überraschung unter den Christbaum legen werden. Die Möglichkeit einer breiten Öffentlichkeit mit einer originellen Geschenksidee zu imponieren, war offensichtlich verlockender als die Chance auf ein Lächeln des überraschten Partners.

Leider sind Outings meist nicht so harmlos. Das Outing vieler Leistungsträger, sie hätten sich in der Jugend Drogen geleistet, trägt gefährlich zur Verharmlosung möglicher lebenslanger Abhängigkeiten als Jugendsünde bei. Wenn einer wie Konstantin Wecker aus seinem Outing in Büchern und auf Konzertreisen das Kapital schlägt, das er für die Sucht braucht, ist es besonders unappetitlich.

Auch das Outing diverser Schickimickis im bundesdeutschen bunten Blatt, in bezug auf das persönlich benützte Verhütungsmittel, bewirkt das Gegenteil von dem, was es vorgibt zu wollen: Es bringt keine neue Freiheit, sondern schreibt vor, was „in" und „out" sein soll. Am ekelerregendsten aber scheint mir die Form des zwangsweisen Outing wie sie im abgelaufenen Jahr einigen Bischöfen angetan wurde, ein Rückfall ins mittelalterliche An-den-Pranger-Stellen.

Daß das Outen wieder out wird, ist auch ein Gebot des guten Geschmackes, viel wichtiger aber ein Gebot der Einhaltung der Persönlichkeitsrechte. Mehr privat - weniger Öffentlichkeit, bitte auf Platz 1 der In-Liste!

Die Autorin ist

Präsidentin der Salzburger Festspiele.

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