Eiserne Kathedrale Notre-Dame - Von außen ist noch wenig von den Baufortschritten erkennbar, mit der Dachstuhl-Montage ändert sich das demnächst. - © Wolfgang Machreich

Notre-Dame: Eine Baustelle, von der noch die Enkel erzählen

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Vier Jahre nach der Brandkatastrophe biegt der von Spendern aus aller Welt mitfinanzierte Wiederaufbau der Pariser Kathedrale Notre-Dame in die Zielgerade ein. Ein Besuch.

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Vier Jahre nach der Brandkatastrophe biegt der von Spendern aus aller Welt mitfinanzierte Wiederaufbau der Pariser Kathedrale Notre-Dame in die Zielgerade ein. Ein Besuch.

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Pieter Bruegel der Ältere hätte keine Freude mit der Baustelle Notre-Dame. Die Wiederauferstehung der Pariser Kathedrale aus dem Schutt und der Asche der Brandkatastrophe vor vier Jahren wäre dem Maler der Niederländischen Renaissance viel zu langweilig. Kein Vergleich zu seinem Gemälde vom Turmbau zu Babel, diesem Baustellen-Wimmelbild, auf dem man aufgrund der schieren Fülle an Handwerk aller Art auch ohne Audio-Begleitung das Hämmern und Sägen hört, den Schweiß fast riechen kann. Würde Bruegel auf der vor dem Hauptportal der Kathedrale errichteten Besuchertribüne Platz nehmen, seine Staffelei auspacken und zu malen anfangen, wäre sein Sujet-Repertoire schnell erschöpft: Ein mit Comics bedruckter und mit Stacheldraht bewehrter Bauzaun und zwei Kräne sind das einzige, was er von diesem Logenplatz aus sieht.

Stolze Gerüstbauer und Seiltechniker

Um sich ein authentisches Bild vom Kathedralen-Bau zu Notre-Dame machen zu können, müsste selbst ein Bruegel den Hintereingang benutzen. Dutzende abgestellte Fahrräder an der Rückseite der Kathedrale und ein mehrstöckiges Containerdorf mit Büros, Umkleiden, Duschen und einer Kantine weisen den Weg. Steht er dann endlich in der Baustelle, ist er wahrscheinlich das zweite Mal an diesem Tag enttäuscht: Gerüststangen soweit das Auge reicht – 1200 Tonnen Stahlrohre und Aluminiumpodeste, 15 Ebenen und 33 Meter hoch, an der Turmöffnung geht es gar hundert Meter hinauf – füllen mit Ausnahme einzelner Bodenteile den gesamten Innenraum aus. Ein mit Plastikplanen bespanntes, mit Stiegen, Leitern und Aufzügen erschlossenes Labyrinth.

„Eiserne Kathedrale“ nennt der Gerüstbauer Gabriel Rivet sein und seiner Kollegen Werk. Anders als die steinerne Kathedrale ist es nicht für die Ewigkeit bestimmt, sondern muss Stück für Stück vor der geplanten Fertigstellung Ende 2024 wieder abgebaut werden. „Wir arbeiten für andere“, weiß Rivet um die enorme Bedeutung und gleichzeitig um das Ablaufdatum seines Tuns. Die Arbeit eines Gerüstbauers könne man sich wie das Basteln mit einem riesigen „Meccano“-Konstruktionsspielzeug vorstellen – ein Job als Mischung zwischen harter Arbeit und kniffliger Spielerei. „Da stehen Jahre an Erfahrung“, meint er und zeigt auf das eiserne Spinnennetz, das die Baustelle von innen und außen einwebt.

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