125 Jahre Theater für das Volk

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Was will das Volk im Theater? Eine gute Frage. Das Volkstheater hat zu seinem Jubiläum 125 Antworten darauf parat und in der gleichnamigen Festschrift versammelt. Theaterbegeisterte, Theaterkritiker, Politiker, Kunst-und Kulturschaffende von einst und jetzt bringen darin zum Teil sehr persönliche Gedanken übers Theater und über den problematischen Begriff Volk ein. Etwa die von Roswitha Götz aus dem benachbarten Bellaria Kino: "Das Volk soll doch bitt'schön nicht an die Hauswand vom Volkstheater pischen!". Bertolt Brecht, der vom Chefkurator des Jüdischen Museums Werner Hanak-Lettner zitiert wird, drückt sein (Miss-)Verhältnis zum (bürgerlichen) Theaterpublikum weniger brachial aber ähnlich provokativ aus: "Untereinander verkehren sie kaum, ihr Beisammensein ist wie das von lauter Schlafenden, aber solchen, die unruhig träumen, weil sie, wie das Volk von den Albträumern sagt, auf dem Rücken liegen".

Der Prachtbau ist renovierungsbedürftig

Wachrütteln ist auch das Credo der jüngsten Werbekampagne zur Sanierung des traditionsreichen Gebäudes. Bei seiner Gründung galt das Volkstheater noch als eines der größten und schönsten Theater der Monarchie. Mittlerweile ist der Prachtbau schwer renovierungsbedürftig, allein es fehlt an der politischen Willensbekundung, die dafür notwendigen finanziellen Mitteln zur Verfügung zu stellen. Die groß angelegte Kampagne soll jetzt auf die baulichen Missstände hinweisen und Spenden lukrieren. Mit dem Slogan "Auch wenn Sie es nicht sehen wollen: Keine Renovierung. Kein Theater. Tun wir was!" wird der Öffentlichkeit der marode Zustand der Bausubstanz vor Augen geführt. Dazu sind rund ums Volkstheater großflächige Plakate mit effektvoll in Szene gesetzten Gesichtern ohne Augen affichiert.

Jetzt feiert das Theater fürs Volk sein 125-jähriges Bestehen und Intendant Michael Schottenberg seine zehnte und letzte Theatersaison. Schottenberg hat das Volkstheater erfolgreich neu positioniert. In der österreichischen Theaterlandschaft hat es sich als eines von wenigen etablierten Häusern dem interkulturellen Dialog und einem Theater der Vielfalt verschrieben. Vom Volkstheater in den Außenbezirken, über Workshops für Schulklassen bis hin zu Angeboten für Senioren ist alles dabei. Und dieses Konzept eines "Theaters für Alle" scheint aufzugehen. Das Jubiläumsfest am vergangenen Sonntag lockte tausende Menschen ins Haus. Dort war auf den Tag genau vor 125 Jahren das "Deutsche Volkstheater" mit einem Stück von Ludwig Anzengruber "Der Fleck auf der Ehr" eröffnet worden. Tags darauf notierte übrigens die k.k. Polizei-Direktion: "Die Vorstellung, welche um 6 1/2 Uhr begann, währte bis ca 10 Uhr. Vom Standpuncte der Censur aus wäre zu bemerken, daß einige gestrichene Stellen, wohl mehr, wie es den Anschein hatte, in Folge eines Versehens gesprochen wurden. Die Abstellung dieser Unzukömmlichkeit wurde veranlaßt." Der diesjährige Saisonauftakt verlief etwas glimpflicher, trotzdem hat sich das Volkstheater mit der Premiere des Komödienklassikers von Aristophanes "Die Vögel" in der Regie von Thomas Schulte-Michels leider selbst ein Ei gelegt.

Die Spindoktoren treiben ins Unglück

Schrill, schriller, am schrillsten -unter diesem Motto gerät die Aufführung der antiken Politfarce zur sinnentleerten Geflügelpeepshow. Dabei ist das Stück um die beiden dreisten Meinungsmacher Euelpides und Pisthetairos (fulminant gespielt von Till Firit und Günter Franzmeier) nicht unaktuell und bietet viel brisantes Material rund um Steuer, Macht und Gier. Schulte-Michels, der auch die stark gekürzte Bühnenfassung verantwortet, bringt das Stück mittels Bühne (einer schmucklosen Endlostreppe), peppigen Kostümen und flotten Sprüchen ins Heute. Der Handlungstransfer gelingt zwar, auf der Strecke bleibt aber der Inhalt. Vogelkönig Wiedehopf (im Winnetou-Outfit: Thomas Kamper) und sein buntes Vogelvolk, das von den beiden Spindoktoren wortreich ins Unglück und zur Gründung eines Wolkenkuckucksheims getrieben wird, singt und tanzt aufs Feinste in trashigen Kostümen mit Neonapplikationen und Federbesatz. Das ergibt eine effektvolle Show und so manche witzige Einlage, wirklich nah geht einem das Gekreische aber nicht. Warum sich Menschen ebenso wie Götter von den Vögeln bedroht fühlen, ist nicht nachvollziehbar. Stattdessen hat man danach tatsächlich großen Appetit auf Brathendl.

Die Vögel Volkstheater Wien, 20., 21., 25. September, 4., 5., 8., 11., 12., 17., 20., 23., 24. Oktober

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