1968, hinter den Kulissen

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Wenn man dreißig Jahre zurück an 1968 denkt, dann wird sehr klar, wie wichtig für die Zukunft dieses Jahr war. Damals marschierten die Warschauer-Pakt-Truppen in der CSSR ein und beendeten brutal den Prager Frühling. Alle Hoffnung auf eine sinnvolle Evolution des "sozialistischen" Systems waren damit zerstört. Im Westen erreichten die Aufstände der Studenten die Höhepunkte der Dramatik: in den USA die Proteste gegen den Vietnam-Krieg, in Berlin die Folgen des Attentats auf Rudi Dutschke, in Paris die Demonstrationen von 20.000 Studenten mit umgestürzten Autos und Brandlegungen. Die "drei M" wurden ununterbrochen zitiert (Marx, Mao und Marcuse), die "Kulturrevolution" verbreitete sich in alle Universitätsstädte - und die Massenmedien hatten ihre große Zeit. Im "politischen Osten" wurde für Demokratie, Reisefreiheit, freie Berufswahl gekämpft, während im Westen eben diese Demokratie schärfstens kritisiert und angegriffen wurde. In den westlichen Demokratien skandierte man bei Demonstrationen "Ho-Ho-Ho-Tschi-Minh", im Prager Frühling kämpfte man für Demonstrationsrecht und liberale Berichterstattung. Begegnungen "westlicher" mit "östlichen" Studenten endeten sehr bald in totalem Einander-nicht-Verstehen.

Heute noch kann man nur ahnen, was hinter den Kulissen wirklich geschah: im Westen feierte das Fernsehen erstmals seinen großen Massenauftritt, der die Pointe darin erreichte, daß effektvolle "spontane" Szenen auf Wunsch vor der Kamera fernsehgerecht wiederholt wurden und dann über Millionen Schirme flimmerten. Auffallend war schon damals, daß die Hauptschauplätze in Paris (stärkste kommunistische Partei) und Berlin (geteilte Stadt, Präsenz des Stasi) waren. Die Strategen von KGB, Stasi und anderen brüderlichen Diensten waren hochbeschäftigt und lieferten operative und finanzielle Hilfe. Natürlich versuchten auch westliche Institutionen, den Oppositionellen und Dissidenten in Prag und Moskau zu helfen.

Wer sich heute vornehmen würde, die inzwischen teilweise zugänglichen Dokumente (soweit es sie gab) zu durchforschen, hätte viele Jahre zu tun. Manche wichtige Grundstrukturen blieben im Westen bis jetzt erhalten (in Verlagen, Zeitungen, TV, Radio, vor allem in kulturellen Bereichen). Viel zu wenig wird darauf geachtet.

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