1999 - eine Jahrhunderternte

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Nach dem Weinskandal 1985 lag die Weinwirtschaft am Boden. Seither setzen viele Winzer auf Qualität - mit Erfolg. Aber viele andere kämpfen ums Überleben.

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Nach dem Weinskandal 1985 lag die Weinwirtschaft am Boden. Seither setzen viele Winzer auf Qualität - mit Erfolg. Aber viele andere kämpfen ums Überleben.

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Nach dem Weinskandal 1985 lag die österreichische Weinwirtschaft am Boden. Der inländische Weinkonsum sank drastisch, der Export brach völlig zusammen. Aus der Not wurde aber eine Tugend gemacht. Heute freuen sich heimische Winzer über das Image des österreichischen Weines, das besser ist denn je.

Allerdings haben es nicht alle geschafft. Wer nicht rechtzeitig auf Qualität gesetzt hat, für den wird das Überleben schwer. Die Weinernte 1999, die sowohl von der Qualität der Trauben, als auch von der Erntemenge hoch ist, drückt den Traubenpreis.

Trotz einer Marktabdeckung von über 80 Prozent des heimischen Weinmarktes, (im Vergleich: Deutschland deckt nur 50 Prozent seines Bedarfes) sind die Weinpreise im Keller. Viele Winzer (es gibt in Österreich rund 40.000 Weingartenbesitzer, 7.000 davon leben vom Weinbau) kämpfen um ihre Existenz. Die hohe steuerliche Belastung, die dem österreichischen Wein aufgelastet wird, tut das ihre, hemmt den Export für heimischen Tafelwein und schränkt den Spielraum der Winzer zwischen Neusiedlersee und dem Kremsfeld auch am heimischen Markt ein. Ein Vergleich: Liegt die Endverbraucherbesteuerung auf Wein in Spanien bei 16 Prozent, in Italien bei 17 Prozent und in Frankreich bei 18 Prozent, so ist die Endverbrauchersteuer in Österreich mit 31 Prozent für viele unerträglich hoch.

Berthold Salomon, Chef der Österreichischen Weinmarketing Gesellschaft, plädiert seit Jahren für geänderte Strukturen in der Weinbranche, beispielsweise nach dem Muster der romanischen Länder. Dort fungieren regionale, interprofessionelle Komitees als Regulativ. Sie haben auch die Finanzkraft, um Schwankungen am Weinmarkt entgegenzusteuern. In Österreich fehlt es laut Salomon auch an finanzstarken Winzergenossenschaften, die helfen könnten. Der österreichische Weinhandel, der früher einiges auffangen konnte, ist im Gefolge des Weinskandals auf weniger als die Hälfte geschrumpft. Ein weiterer Grund, warum den Trauben zahlungskräftige Käufer fehlen.

Möglich, daß einige Winzer das Jahr 1999 nicht überleben, ihre Weingärten künftig nicht mehr bearbeiten, verkaufen oder roden werden. In diesem Fall zahlt die EU eine Rodungsgebühr von 7.000 Schilling pro Hektar.

Einige Winzer haben aber gezeigt, daß man nach dem Weinskandal von 1985 nicht nur überleben, sondern sogar ein gutes Geschäft mit dem österreichischen Wein machen kann. Das hat zwar einige Jahre gedauert und ein Umdenken vorausgesetzt, es hat sich aber letztlich bezahlt gemacht.

Die rund 200 österreichischen Top-Winzer freuen sich nämlich über die Ernte 1999, eine Jahrhunderternte. Die Trauben erreichen einen hohen Naturzuckergehalt und sind somit bestens für die Vinifizierung zu Top-Qualitätsweinen geeignet.

Die Spitzenwinzer haben dem Wein aus den Rieden von der Wachau über das Burgenland bis in die Steiermark zu neuem Renommee verholfen. In den Regalen der Vinotheken in Deutschland, den USA, in Skandinavien und auch in Japan sind mehr österreichische Spitzenweine vertreten denn je. Weinexperten aller Herren Länder stufen Österreichs Rebensaft bei internationalen Verkostungen ganz oben auf der Qualitätsskala ein.

"Sogar der weltweit bekannteste Weinjournalist Robert Parker aus den USA, der dem österreichischen Wein jahrelang nicht eine Zeile gewidmet hatte, schreibt heute über unseren Wein in den höchsten Tönen", freut sich Önologe Fritz Miesbauer von den Freien Weingärtnern Wachau. Das tut nicht nur dem Export gut, sondern auch dem Preisniveau. Für eine Bouteille österreichischen Spitzenweines liegen die Preise bei 150 Schilling aufwärts und erreichen damit einen Standard, der durchaus auch für sehr guten französischen, italienischen oder spanischen Wein bezahlt wird.

"Der Weinskandal war sicherlich eine Art Initialzündung", erklärt Fritz Miesbauer. Der neue Weg führte weg vom Massen-, hin zum Qualitätsdenken. Diese Erfahrung hat auch Peter Moser, einer der führenden österreichischen Weinjournalisten der Weinzeitschrift "falstaff" gemacht. Er konstatiert: "Immer mehr österreichische Weine erfüllen die Kriterien, die Top-Weine erfüllen müssen. Und immer mehr junge Winzer kommen nach, die den Weg der Qualität dem der Quantität den Vorrang geben. In unseren Weinguide haben wir mittlerweile rund 280 österreichische Weine aufgenommen. Vor einigen Jahren waren es noch um die 50."

Erst am vergangenen Wochenende nahm er an einer Verkostung internationaler Spitzenweine in Los Angeles teil. Präsentiert wurden auch vier österreichische Weine. Moser: "Das wäre vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen." Besonders hoch im Kurs liegen neben den trockenen Weißweinen die Süßweine aus dem Burgenland. "Sie zählen heute", so Moser, "zu den besten der Welt."

Auch der heimische Rotwein, der jahrelang stiefmütterlich behandelt wurde, hat sich einen Namen gemacht. Nicht nur die klassischen Rotweingegenden um den Neusiedlersee und im Mittelburgenland machen Furore. Auch in Niederösterreich und in der Steiermark sind die Rotweine heute "in". Besonders 1997 sprachen die Weinexperten weltweit in höchsten Tönen von Österreichs Rotweinen. Darüber freut sich auch Berthold Salomon: "Die Spitzenweingüter sind ausverkauft, die Preise gut wie noch nie zuvor."

Der Autor ist freier Journalist.

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