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Zehn Jahre nach der umtosten Angelobung der ÖVP-FPÖ-Regierung unter Wolfgang Schüssel: | Ein Blick auf die Ereignisse von damals – und was daraus alles (nicht) wurde oder werden konnte.

Es war die Zeit der großen, moralisch aufgeladenen Empörung. Das selbsternannte „andere“ – will sagen: „bessere“ – Österreich lief rund um die Regierungsbildung von ÖVP und FPÖ vor zehn Jahren ein letztes Mal zur Hochform auf. Stolze Gesten und hehre Phrasen waren wohlfeil – „Widerstands“-Pathos lag in der Luft. Der 4. Februar 2000 – mit dem unterirdischen Gang zur Angelobung und der eisigen Miene des Bundespräsidenten bei dieser Zeremonie – wurde zum Symboldatum.

Wenige Intellektuelle hielten dagegen, zuvörderst die gewiss nicht in der Wolle schwarz gefärbten Philosophen Rudolf Burger und Konrad Paul Liessmann. Beiden haftet seither die Punzierung des „Verräters“ an, beide wurden, je nach Laune, als „Wende-“ oder „Dandyphilosophen“ denunziert. Vor allem Burger hatte den Zorn der kritischen Intelligenzija mit seinem in der deutschen Zeitschrift Merkur publizierten Essay „Austromanie oder: Der antifaschistische Karneval“ auf sich gezogen. Darin wurden so ziemlich alle politisch-historischen Mythen der Donnerstagsdemonstranten und Wendegegner so kühl wie analytisch scharf gegen den Strich gebürstet …

Verkrustete Strukturen aufgebrochen

Es war auch die Zeit, als das letzte Mal in diesem Lande Politik gemacht wurde. Eine Politik, die zumindest im Grundansatz versuchte verkrustete, „versozialpartnerte“ Strukturen aufzubrechen und bürgerlich-liberalen Prinzipien zu folgen: Eigenverantwortung, Leistung, Budgetdisziplin, Europa, Familie. Vieles davon blieb freilich torsohaft, wurde nur halbherzig angegangen oder später wieder verwässert. Aber immerhin war da ein Gestaltungswille spürbar, der nach Jahren der Lähmung etwas Befreiendes hatte.

Freilich, es war eine Regierung mit eingebautem Sprengsatz in Gestalt des Koalitionspartners FPÖ; ein Spiel, das den Taktiker Wolfgang Schüssel gewiss auch reizte, bis der Politiker Wolfgang Schüssel die Notbremse ziehen musste. In Wahrheit hatte Schüssel aber nach den Nationalratswahlen 1999 kaum eine andere Option: Er realisierte, was seit 1983 rechnerisch und seit 1986 politisch möglich war – eine Mehrheit von ÖVP und FPÖ. In den Anfangszeiten Jörg Haiders als FP-Chef wäre dieses Experiment zu einem deutlich niedrigeren Preis zu haben gewesen, von Wahl zu Wahl trieb ihn der Politrabauke in die Höhe. Zumindest aus damaliger Sicht schien kein Weg an einer Regierungsbeteiligung der FPÖ, sei es unter VP- oder (erneut) SP-Ägide, vorbeizuführen. Es sei denn, man hätte auf Haiders Selbstzerstörungstrieb gesetzt, der den ultimativen Sieg bei den nächsten Wahlen verhindern würde …

Hier liegt auch die Crux der österreichischen Parteienlandschaft, die einen politischen Wechsel praktisch nur mit der extremen Rechten ermöglicht. Eine langfristige Lösung dieses Dilemmas bestünde wohl nur in der Einführung eines Mehrheitswahlrechts. Dagegen sträuben sich freilich nicht zuletzt jene, denen die habituelle Empörung gegen jede Annäherung an FPÖ & Co. als Grundlage ihrer eigenen ideologischen Selbstvergewisserung dient.

Die Welt ist wieder in Ordnung

Wie sieht es zehn Jahre später aus? Wenn man heute Wolfgang Schüssel zuhört, so stellt man mit Verwunderung fest, wie er auch heute noch den damaligen Koalitionspartner sich schönzureden versucht. Er könnte ja seine Politik verteidigen – und doch irgendeinen Hinweis darauf geben, dass ihm die strukturelle Problematik seiner einstigen blau-orangen Partner bewusst ist. Aber das Bemühen um Erklärung, das Werben um Verständnis war seine Sache nie – wohl sein größtes Defizit.

Auf der „Widerstands“-Seite ist es ruhig geworden, nur ein stilles, leicht resignatives Beharren: „Wir hatten recht, und wir machten es richtig. In der Rückschau.“ (M. Streeruwitz, Presse-Spectrum, 23. 1.). Keine Einsicht auch hier.

Im Übrigen ist seit Jänner 2007 die österreichische Welt wieder in Ordnung: Es werkt eine Große Koalition mit einem von der SPÖ gestellten Bundeskanzler an der Spitze.

rudolf.mitloehner@furche.at

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