A Poet. Zur Söligkeit

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Hört sich bei Bob Dylan-Fans neuerdings der Spaß auf? Klaus Kastberger reagiert auf Daniela Strigls Kommentar in der letztwöchigen FURCHE.

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Hört sich bei Bob Dylan-Fans neuerdings der Spaß auf? Klaus Kastberger reagiert auf Daniela Strigls Kommentar in der letztwöchigen FURCHE.

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Viel Verbissenheit hat sich angesichts der Verleihung des Nobelpreises an Bob Dylan gezeigt. Der Neid und die Häme der einen verdarben den anderen, die endlich einmal in aller Ruhe den größten lebenden Dichter feiern wollten, die Party. Symptomatisch für letzteres ist ein Text von Daniela Strigl, der als Pro-Stimme zum Entscheid letzte Woche in der FURCHE erschienen ist. Statt eine Platte mit coolen Dylan-Songs aufzulegen, sah sie sich genötigt, dem ganzen Unsinn entgegenzutreten, der über den Folkbarden verzapft wird. Darunter subsumiert die Autorin auch eine Art des ironischen Sprechens, das ich mir in einem Text für Zeit online erlaubt hatte.

Absurdeste Übertreibungen

Dessen Ironie-Signale sind nicht zu übersehen. Er ist deutlich als Glosse gekennzeichnet und bringt krudeste und absurdeste Übertreibungen: Die letzten Tage der Literatur seien eingeläutet, alle Dämme würden jetzt brechen, Mireille Mathieu den BüchnerPreis bekommen und so weiter und so fort. Man mag einen Text wie diesen halblustig oder infantil finden, "halbironisch", wie Daniela Strigl ihn findet, ist er mit Sicherheit nicht. Halbironisch kann ein Text gar nicht sein, denn entweder ist ein Text ironisch oder er ist nicht ironisch.

"Halbironisch" im Sinne von Daniela Strigl heißt, dass sie sich aus dem Text jene Sät-

ze herausholt, die ihr besonders missfallen, und diese Sätze, um mit ihnen einmal ordentlich Schlitten zu fahren oder wozu auch immer, bierernst nimmt. "Halbironisch" heißt aber wohl auch, dass all die anderen Sätze (die dreiviertel-ironischen, möglicherweise) dort bleiben können, wo sie sind. In einem Paradies der Ironie, in dem sie bukolisch und wirkungslos lagern, während die anderen, gleichsam als Delinquenten der Ironie, vors strenge Strafgericht einer ernsten und nur so satisfaktionsfähigen Rede gezerrt werden.

Bei Bob Dylan, und das ist schade, hört sich für Dylan-Fans seit neuestem jeglicher Spaß auf. Über ihn und seine homerische Kunst (auch das noch!) darf man offensichtlich nur noch in Glaubenssätzen sprechen. Der einzige, der dies nicht tut, ist Dylan selbst. Zu dem Zeitpunkt, als ich diese Zeilen schreibe, ist noch völlig unklar, ob er den Preis überhaupt annimmt oder nicht doch an Wolfgang Ambros und André Heller für die deutsche Übersetzung von "Forever Young" weitergibt:

Di solls gebn solangs die Wölt gibt / Und die Wölt solls immer gebn -/ Ohne Angst und ohne Dummheit / Ohne Hochmut sollst du lebn! / Zu die Wunder und zur Söligkeit / Is dann nur a Katzensprung / Und wann du wülst / Bleibst immer jung!

Das letzte Wort hat der Meister. Ab und an entfährt ihm ein unreiner Reim: "I'm a poet, and I know it. Hope I don't blow it." Aber im Gesang verschleift sich das. Man sollte den diesjährigen Nobelpreis für Literatur tanzen.

Der Autor ist Prof. für neuere deutschsprachige Literatur an der Universität Graz und Leiter des Literaturhauses Graz

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