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Agnes Husslein-Arco hat am 1. Jänner ihr Amt als Direktorin der Österreichischen Galerie Belvedere übernommen und möchte das traditionsreiche Haus aus dem Dornröschenschlaf wecken. Im furche-Gespräch stellt sie ihr Konzept und ihre ersten Ausstellungen vor.

Die Furche: Nach harmonischen Tönen zwischen Ihnen und Ex-Direktor Gerbert Frodl im Zuge Ihrer Bestellung hat zu Jahresende plötzlich ein rauerer Wind geweht. Frodl hat in einer Pressekonferenz die finanzielle Situation des Belvedere durchwegs positiv skizziert, Sie sehen die finanzielle Situation kritisch.

Agnes Husslein-Arco: Extrem kritisch. Das lässt sich an einem einfachen Beispiel zeigen. Wir haben eine seit Jahren nicht erhöhte Basisdotierung von 4,4 Millionen Euro - die niedrigste aller Bundesmuseen - und allein unsere Gehälter machen 5,2 Millionen aus.

Die Furche: Aber es gibt bereits Verhandlungen über eine Aufstockung.

Husslein-Arco: Auch das zuständige Ministerium ist sich völlig im Klaren, dass die Höhe der Basisabgeltung für ein Museum wie dieses mit sechs - hoffentlich bald sieben - Häusern viel zu niedrig ist. Wenn das MAK beinahe das Doppelte bekommt, dann liegt es auf der Hand, dass das nicht fair ist!

Die Furche: Sie haben angekündigt, das Belvedere neben dem Musée d'Orsay und der Tate Britain zu einem der drei führenden europäischen Nationalmuseen zu machen. Wie wollen Sie das bewerkstelligen?

Husslein-Arco: Die Qualität dieser Sammlung ist einmalig, aber ich werde Umgestaltungen vornehmen, indem ich den ganzen Sammlungsbestand hier im Oberen Belvedere zusammenfasse. Anders als bisher werden jetzt auch Mittelalter und Barock hier zu sehen sein. Die Leute, die hierher kommen, wollen die gesamte österreichische Kunst kennen lernen - und das Untere Belvedere wird jetzt gar nicht wahrgenommen.

Die Furche: Wo präsentieren Sie dann die Sonderausstellungen?

Husslein-Arco: Einer der Nachteile dieses Hauses war, dass die Ausstellungen in der Beletage des Oberen Belvedere stattgefunden haben, wo die Ausstellungsarchitektur nie wirklich funktioniert hat. Für Sonderausstellungen braucht man relativ neutrale Räume - und daher werde ich in einem ersten Schritt bis März die Orangerie zu einem Ausstellungsraum umgestalten lassen, der wirklich gut benutzbar ist. Bis zum Herbst wird auch das Untere Belvedere für Sonderausstellungen adaptiert sein.

Die Furche: War das Belvedere bisher in einem Dornröschenschlaf?

Husslein-Arco: Ich finde schon - und sage immer "a sleeping beauty".

Die Furche: Das Belvedere nennt sich "Österreichische Galerie". Ist das Etikett "österreichisch" in Zeiten der engeren Verschmelzung der europäischen Staaten überhaupt noch zeitgemäß?

Husslein-Arco: Ich sehe das Belvedere natürlich als den Ort, wo man wirklich österreichische Kunst und Kulturgeschichte nachvollziehen kann. Aber ich möchte vor allem den Gründungsauftrag - österreichische Kunst im internationalen Kontext - weiterführen. Ich fühle mich beseelt von dieser Aufgabe, weil ich als Enkelin eines österreichischen Malers (Herbert Boeckl; red.) miterlebt habe, wie schwierig es ist, die richtige Plattform zu finden.

Die Furche: Wird sich das auch in Sonderausstellungen niederschlagen?

Husslein-Arco: Natürlich. Bereits 2007 wird es eine große Ausstellung über die österreichisch-französischen Kunstbeziehungen geben, in der es um Cézanne, Van Gogh und die Österreichische Moderne geht. Die Ausstellung wird symptomatisch für das stehen, was ich hier machen möchte.

Die Furche: Man kennt Sie als Förderin zeitgenössischer Kunst. Das Belvedere besitzt mit dem Atelier Augarten ein interessantes Forum für Gegenwartskunst, das allerdings nur von Insidern wahrgenommen wird. Wollen Sie die Linie im Atelier Augarten fortsetzen?

Husslein-Arco: Solange es das 20er Haus noch nicht gibt, belasse ich den Augarten so, wie er ist. Mein erster Versuch ist, den Augarten in die Ausstellung "Gartenlust. Der Garten in der Kunst" einzubinden. Das 21. Jahrhundert wird dort gezeigt werden.

Die Furche: Wann wird das 20er Haus eröffnet werden?

Husslein-Arco: Mein Ziel ist, dass wir es 2008 bespielen. Wir verhandeln gerade über die Finanzierung - aber ich bin schon glücklich, dass die konkrete Bauplanung jetzt vergeben wurde.

Die Furche: Und was wollen Sie dort zeigen?

Husslein-Arco: In erster Linie Kunst nach 1945 - und Fritz Wotruba wird unten einen eigenen Bereich haben.

Die Furche: Das Belvedere hat in den letzten Jahren besonders durch die Restitution der Klimt-Bilder auf sich aufmerksam gemacht. Wie wollen Sie mit diesen Lücken umgehen?

Husslein-Arco: Das sind große Verluste, da es herrliche Bilder sind. Das Belvedere besitzt aber immer noch die weltweit bedeutendste und größte Klimt-Sammlung. Ich will Klimt nicht schmälern, aber es gibt noch andere phantastische Jahrhundertwende-Künstler wie Carl Moll oder Kolo Moser, die nicht den Stellenwert haben, den sie verdienen. Und da kann man sehr viel machen, indem man Klimt in sein Umfeld einbettet.

Die Furche: Hätte die Regierung nicht mehr tun sollen, um die Klimt-Bilder für Österreich zu erwerben?

Husslein-Arco: Das möchte ich nicht kommentieren. Ich war zu diesem Zeitpunkt nicht Direktorin.

Die Furche: Welchen Weg werden Sie in Restitutionsfragen gehen?

Husslein-Arco: Ich werde mich ganz aktiv einbringen, noch mehr Provenienzforschung betreiben und alles transparent gestalten. Durch meine Arbeit bei Sotheby's kenne ich die andere Seite und habe eine große Sensibilität für dieses Thema. Wenn es unklare Fälle gibt, wird mein Haus profund recherchieren.

Die Furche: Sie sind die erste Frau, die die "Österreichische Galerie" leitet. Erfüllt sie das mit Genugtuung?

Husslein-Arco: Ich möchte nie einen Job bekommen, nur weil ich eine Frau bin. Ich mache es aus Überzeugung und Emotion.

Die Furche: Man hat aus Salzburg immer wieder gehört, Sie hätten einen autoritären Führungsstil.

Husslein-Arco: Das war in Salzburg eine unter der Gürtellinie geführte Kampagne gegen meine Person. Aber mir ist Disziplin und Leistung schon wichtig. Ich mag keine uninteressierten Menschen, sondern möchte Leute um mich haben, die gerne mit mir gehen und Freude an der Arbeit haben.

Die Furche: In den Medien wurde Ihre Präsenz bei Society-Events sowie Ihre angebliche Bekanntschaft mit gewissen Politikern stets kritisch beäugt.

Husslein-Arco: Ich glaube, ich habe meine Kompetenz gezeigt. Ich bin, was ich bin. Nur weil ich aus einem alten Geschlecht komme, bin ich noch lange keine "Society-Lady". Das ist lächerlich und interessiert mich auch gar nicht.

Die Furche: Und was wünschen Sie sich als Museumsdirektorin von einer neuen Regierung?

Husslein-Arco: Ich glaube, ein Kulturministerium wäre sehr wichtig. Von der Politik wird viel zu wenig in Kultur investiert. Wodurch wird Österreich wahrgenommen? Über seine Kultur im weitesten Sinne - daher erhoffe ich von einer neuen Regierung eine hohe Sensibilität für die Kunst.

Das Gespräch führten Johanna Schwanberg und Cornelius Hell.

Das Belvedere auf den Kopf stellen

Agnes Husslein-Arco, Jahrgang 1954, studierte Kunstgeschichte und Archäologie und promovierte über die Seckauer Engelskapelle ihres Großvaters Herbert Boeckl. Husslein-Arco, verheiratet mit dem renommierten Gynäkologen Peter Husslein, ist Mutter zweier Kinder. Bekannt wurde sie zunächst als Geschäftsführerin von Sotheby's Österreich (1981-2000). 2001 wechselte sie als Direktorin in das Salzburger Rupertinum, das sie neu strukturierte und - durch einen Neubau am Mönchsberg erweitert - zum Museum der Moderne umgestaltete. Husslein-Arco ist bekannt als durchsetzungsfähige Frau, die von sich selbst sagt:"Ich lasse mir prinzipiell nichts gefallen und bin ein Mensch, der gerne vorangeht. Wenn ich von etwas überzeugt bin, mache ich es." Am 1. Jänner 2007 hat die erfolgreiche Kunsthistorikerin die Direktion des Wiener Belvedere angetreten. Husslein-Arco will hier alles auf den Kopf stellen. Wenn es nach ihr geht, soll das bisher von 80 Prozent Touristen besuchte Museum zu einem neuen kulturellen Zentrum Wiens werden: "Ich wünsche mir, dass das Belvedere wieder verstärkt vom österreichischen Publikum besucht wird, dass Haus und Garten wieder belebt sind. Besonders das Untere Belvedere soll durch ein Café und durch Sonderausstellungen von den Wienern und Wienerinnen neu entdeckt werden. Bisher haben die Leute nicht einmal den Eingang gefunden."JS

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