Abenteuer in Mexiko

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Eine neue Gesamtdarstellung der Habsburgischen Tragödie jenseits des Atlantik.

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Eine neue Gesamtdarstellung der Habsburgischen Tragödie jenseits des Atlantik.

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Das Sissi-Jahr geht seinem Ende entgegen. Es hat neben Sissi-Kugeln, Sissi-Häferln und ähnlichem Kitsch auch eine Flut von Veröffentlichungen gebracht, die bis in die innersten Psycho-Winkel der exzentrischen Frau leuchten. Eines anderen, ebenfalls unglücklichen Habsburgers hat man weder 1967 zum 100. Todestag, noch zum 150. Geburtstag 1982, noch zu irgendeinem anderen Gedenktag gedacht - des Erzherzogs Ferdinand Max, des späteren Kaisers Maximilian von Mexiko, dessen dramatisches Ende vor dem Exekutionspeloton der mexikanischen Republikaner doch seinerzeit die Phantasien üppig beflügelt hatte.

Nun liegt - ohne den "Aufhänger" eines runden Gedenktages - zum ersten Mal seit Egon Cesar Conte Cortis Bestseller der Zwanzigerjahre "Maximilian und Charlotte von Mexiko" eine deutschsprachige Gesamtdarstellung dieses Kapitels gemeinsamer österreichischer und mexikanischer Geschichte vor. Konrad Ratz hat sich bereits 1985 einen Namen als Maximilian-Spezialist gemacht, als er die bis dahin in Österreich völlig ignorierten Prozeßakten aus Queretaro ins Deutsche übersetzte und damit klarstellte, daß dem Unterlegenen ein fairer Prozeß gemacht worden war.

Jetzt läßt er in zwei Bänden auf fast 1000 Seiten Vorgeschichte, Hintergründe und Ablauf des Geschehens auferstehen, weckt mit der Schilderung der jahrzehntelangen Konflikte und Bürgerkriege zwischen Konservativen und Liberalen, Monarchisten und Republikanern, Klerikalen und Antiklerikalen, Spaniern und Kreolen Verständnis dafür, wie mexikanische Notabeln auf die Idee kommen konnten, eine ausländische Intervention und einen fremden Monarchen herbeizuholen. Der intellektuelle, liberal fühlende jüngere Bruder des autoritär regierenden Kaisers Franz Joseph, frustriert ohne ihm entsprechende Aufgabe, und der indianische Anwalt, der Erste seines Volkes in führender Politikerposition, stehen einander als Hauptgegner gegenüber, auch wenn sie einander nie getroffen haben.

Aber nicht weniger wichtig für das Geschehen sind die Figuren der Umgebung, liberale Generäle und Politiker auf der einen, Napoleon III., Franz Joseph, französische Generäle, konservative Mexikaner auf der anderen. Zwischen und über allen die ehrgeizige, temperamentvolle Kaiserin Carlotta, Tochter des ebenso ehrgeizigen belgischen Königs Leopold, die ihren Gatten bei seinen Plänen unterstützt, unter ihrer Kinderlosigkeit leidet und schließlich im vergeblichen Ringen um Hilfe vor dem Untergang des Imperiums der geistigen Umnachtung verfällt. Und auch die mehr als 10.000 Freiwilligen aus allen Teilen der Monarchie, die im österreichischen Freikorps für Maximilian einen erbitterten Kampf gegen die republikanischen Partisanen führten, kommen bei Ratz zu ihrem Recht, erwähnt zu werden.

Ratz läßt im ersten Band die Geschehnisse bis kurz vor dem bitteren Ende ablaufen, mit einer Fülle zeitgenössischer Dokumente in eigener Übersetzung. Der zweite Band ist jenem tragischen Schlußkapitel des Geschehens gewidmet, dem schon bisher der Hauptakzent seiner Forschungen galt - den Endkämpfen in Queretaro, dem Kriegsverbrecherprozeß und der Erschießung des Kaisers und seiner getreuen Generäle Miramon und Mejia.

Noch durch Jahrzehnte lief eine erbitterte publizistische Diskussion zwischen Gegnern und Verteidigern des Kaiserreiches über die Führung des Prozesses und die Rolle jenes Obersten Lopez, der Maximilian zur Übergabe bewogen hatte. Bis zur Errichtung einer Gedächtniskapelle am Hügel von Queretaro, bis zur Aussöhnung des Kaiserreiches diesseits und der Republik jenseits des Atlantik sollte es noch fast 40 Jahre dauern.

Weitere 35 Jahre später war Mexiko 1938 das einzige Land, das gegen den Untergang des klein gewordenen Österreich protestierte. Aber das ist schon wieder eine eigene Geschichte. Wiens Mexikoplatz erinnert daran.

Maximilian und Juarez. Band I: Das Zweite Mexikanische Kaiserreich und die Republik; Band II : Queretaro- Chronik".

Von Konrad Ratz Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1998. 430 und 476 Seiten, geb., öS 590,

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