"... aber es muss gespielt werden"

Werbung
Werbung
Werbung

Thomas Bernhards "Macht der Gewohnheit" in Graz.

Immer wieder bildete die Kunst den Ausgangspunkt für Thomas Bernhards Suche nach einem Ausweg aus der Verzweiflung. Auf dem Weg vom Künstler zum Lebenskünstler spielt die Musik eine besondere Rolle. So steht im Stück "Die Macht der Gewohnheit" Schuberts "Forellenquintett" im Zentrum. Seit mehr als 20 Jahren zwingt hier der Zirkusdirektor Caribaldi Neffen, Nichte und zwei seiner Artisten tagtäglich zur Probe, um eine perfekte Aufführung zu realisieren. Doch vergeblich. Der Lebenstraum wird zur Besessenheit: "Die Wahrheit ist / ich liebe das Cello nicht / Mir ist es eine Qual / aber es muß gespielt werden / Wir hassen das Forellenquintett / aber es muß gespielt werden."

Meisterhaft verkörpert Gerhard Balluch (Zirkusdirektor) in Marc von Hennings Grazer Inszenierung die Starrköpfigkeit und Härte des typisch Bernhardschen "Geistesmenschen". Überzeugend ist auch sein jugendlicher Kontrahent Martin Bretschneider als verzweifelt rebellierender Dompteur. Ständig von den Tieren angefallen und verletzt sabotiert er die Proben, um, schließlich selbst zum wilden Tier degeneriert, der unmenschlichen Tyrannei der Perfektion durch Zertrümmern des Klaviers ein Ende zu bereiten.

Behutsam und dadurch umso wirkungsvoller zeigt der Regisseur die Welt der Künstler und Artisten. Immer wieder unterbrechen auf Ralph Zegers sparsam, doch poetisch ausgestatteter Bühne pantomimische Aktionen die kreisenden Sprachkaskaden; in farbigem Halbdunkel entsteht eine Gegenwelt, die zugleich die Irrealität des trist Vertrauten entlarvt.

Der alles verändernde Umschlag von Verzweiflung in Komik, Kernstück der Bernhardschen Lebenskunst, gelingt bravourös, nicht zuletzt dank des herausragenden Franz Solar in Gestalt des verzweifelten, dem tyrannischen Direktor treu ergebenen Jongleurs, und der herrlich komischen Katja Hirsch (Spaßmacher). Durch kluge Wortregie und präzise Rhetorik wird auch die musikalische Qualität des Sprach- und Atemflusses, dessen Störungen und polyphone Höhepunkte, deutlich. Und unversehens blitzt hinter der Komödie jäh die Tragödie hervor. Insgesamt eine kurzweilige, tiefgründige und zu Recht heftig akklamierte Produktion.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung