"Don Giovanni" als letzte Opernregie von Dietmar Pflegerl am Stadttheater Klagenfurt.
Wie zwei typische Aufreißer steigen sie lässig aus ihrem knallroten Sportcabrio. Aber trotz ihres "coolen" Outfits, der Lederjacke und dem Käppi wirken sie schon etwas in die Jahre gekommen, müde und abgetakelt. Nichtsdestotrotz lässt gerade derjenige, der sich Don Giovanni nennt, nichts aus: Kokain wird geschnupft, zu Grabsteinen gepinkelt und halbnackte, junge Mädchen werden, speziell im Schlussbild, hemmungslos angegrapscht. Aber diese rächen sich sofort, sie mutieren zu Krankenschwestern und der Komtur zum Chirurgen. Giovannis letzte Fahrt führt nicht in die Hölle, sondern in den Operationssaal, wo der Lüstling kastriert wird.
In Dietmar Pflegerls Inszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts "opus summum", angesiedelt in den 1950er Jahren, fehlt dem sehr derb gezeichneten Titelhelden jegliche Eleganz und Emotion. So wie dem schwarzen, tristen, von unten beleuchteten Einheitsraum (Bernd-Dieter Müller). Der scheidende Intendant des Stadttheaters Klagenfurt schafft durch seine detaillierte Personenführung durchaus eindrucksvolle Bilder, die aber seltsam zusammenhanglos wirken und im Gegensatz zu seinen bisherigen Arbeiten nicht dramatisch mitzureißen wissen. So entsteht manchmal Langeweile und etliche Fragen bleiben unbeantwortet.
Noch mehr Langeweile vernimmt man jedoch aus dem Graben. Man hat das Gefühl, dass Enrico Dovico am Pult geradezu bestrebt ist, jede Spannung und dynamische Nuance zu vermeiden. Unter seinem uninspirierten, sängerunfreundlichen Dirigat spielt das Kärntner Sinfonieorchester undifferenziert, un-erotisch und undramatisch. Und es kommt auch immer wieder zu Unstimmigkeiten mit der Bühne.
Auch das Sängerensemble kann nur bedingt punkten: Dabei ist Arpiné Rahdjian eine kraftvolle, ideale Donna Elvira, Jessica Muirhead eine saubere Donna Anna und Daniela Fally eine durchtriebene, glockenreine Zerlina. Bei den Herren gefallen nur Simone Del Savio als zorniger, wohltönender, markanter Leporello sowie Vassily Savenko als gewaltiger Komtur. Boris Trajanov, indisponiert angesagt, ist alles andere als ein Idealfall eines Titelhelden, so unmozartisch und unmusikalisch hat man ihn selten gehört. Claude Pia ist ein blasser Don Ottavio. Dimitry Ryabchikov als Masetto wirkt verkrampft und singt unrhythmisch. Trotzdem Jubel!
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