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Mit einer neuen Afrika-Strategie versucht die EU dem "wachsenden internationalen Interesse an Afrika" Paroli zu bieten.

Ach, Afrika" heißt ein Buch des langjährigen deutschen Afrika-Korrespondenten Bartholomäus Grill: "Afrika ist ein Kontinent", schreibt Grill darin, "der nicht zur Ruhe kommt und zugleich in ewiger Starre gefangen scheint, der sich irgendwo auf dem Weg zwischen Tradition und Moderne befindet und am Rande dieses Weges verwirrte Menschen zurücklässt." Verwirrte Afrikaner und verwirrte Nachbarn, verwirrte Beobachter in Europa: Und weil es die Europäer nie verstanden haben, ihre ungeduldigen und manchmal unduldsamen Eingriffe mit den Afrikanern abzustimmen, haben sie irgendwann so wie Grill zu stöhnen angefangen: "Ach, Afrika".

Schluss mit dem Seufzen

Um diesem Seufzen ein für beide Seiten produktives Ende zu machen, verabschiedete der Europäische Rat im Dezember letzten Jahres die eu-Afrikastrategie mit dem Titel: "Die eu und Afrika: In Richtung einer strategischen Partnerschaft". Österreich hat in seiner eu-Ratspräsidentschaft nun die Aufgabe übernommen, dieses neue Miteinander auf Schiene zu bringen. Am 8. Mai findet dazu der "African Dialogue" in Wien statt. Zur eu-Troika bei diesem Treffen gehören die österreichische Außenministerin, ihr finnischer Amtskollege (Finnland übernimmt nach Österreich den eu-Vorsitz) und der eu-Kommissar für Entwicklung und humanitäre Hilfe. Die afrikanische Seite wird von den Außenministern aus dem Kongo und Nigeria sowie den Kommissaren der Afrikanischen Union (au) für Wirtschaft und Sicherheit vertreten.

EU-Dialog mit Afrika

Bei diesem ersten europäischen "African Dialogue" nach Inkrafttreten der eu-Afrika-Strategie und bei jeder künftigen Zusammenarbeit sollen folgende Leitgedanken als Richtlinien gelten:

* Europa und Afrika sind Nachbarn: Die Probleme und Konflikte Afrikas, wie Staatszerfall, Terrorismus, Aids und Armutsmigration, können Europa nicht gleichgültig sein;

* Nordafrika ist die Brücke zwischen Europa und Subsahara-Afrika: Die Afrika-Strategie soll deshalb für den ganzen Kontinent, also auch für die Länder Nordafrikas, gelten.

* Europa strebt eine strategische Partnerschaft mit Afrika auf Basis des Völkerrechts, der Menschenrechte, der Gleichheit und - wichtig - gegenseitiger Rechenschaft an.

* Europa bekennt sich zum Grundsatz der afrikanischen Eigenverantwortung ("ownership"). Sie sieht in der au und den Regionalorganisationen gleichberechtigte und engagierte Partner.

* Sicherheit und Stabilität sind Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung. Daraus folgt die Notwendigkeit einer engeren Verzahnung von Entwicklungs-mit Sicherheitspolitik und anderen Politikfeldern.

Nicht nur Entwicklungshilfe

Vor allem dieser letzte Punkt verdient besondere Beachtung, denn er bedeutet, dass die Entwicklungszusammenarbeit als der bisherige "zentrale europäische Beziehungsmodus" (© Georg Lennkh) zu Afrika in der neuen Strategie um andere Politik-und vor allem auch Wirtschaftsfelder erweitert wird. Die Europäische Union beschreibt in diesem Sinn auch ihre Strategie ganz offen als "die europäische Antwort auf das stärker werdende internationale Interesse an Afrika".

Während des Kalten Krieges wurde Afrika als Spielwiese von Ost und West missbraucht, der eine Diktator erhielt Unterstützung aus Moskau, der andere konnte auf die Hilfe der usa bauen. 1989, Mauerfall und das Ende des Ostblocks, änderte die Spielregeln: Afrika wurde sich selbst überlassen, der Kontinent drohte in Konflikten zu versinken. Europa pochte auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, getragen von dem Bewusstsein, dass die Afrikaner ihre Konflikte selber lösen sollen.

Neue Partner: China, Indien

Diese Einstellung ändere sich jetzt langsam, sagt der österreichische Afrika-Sonderbeauftragte Georg Lennkh (siehe Interview): In den neuen Strategiepapieren finde sich immer ein Absatz, "in dem sich die eu vorbehält, mit eigenen Kapazitäten einzugreifen".

Entscheidend für das neu erwachte Interesse Europas für Afrika ist aber die Tatsache, dass afrikanische Länder damit begonnen haben, wirtschaftliche Beziehungen zu China, zu Indien oder Brasilien aufzubauen. Und im Gegensatz zu Europa müssen diese neuen Partner nicht den Ballast einer langen kolonialen Vergangenheit mit sich herumschleppen und sie schaffen auch das, was Europäern nach wie vor schwerfällt: Anerkennung ohne Herablassung und Partnerschaft auf Augenhöhe.

Nächste Woche Teil 2:

Afrikas Konflikte - die Rolle der Afrikanischen Union und Europas.

Es gibt eine Reihe von Afrika-Plänen, aber die Strategie der EU ist die wichtigste, sagt georg lennkh, Österreichs Sonderbeauftragter für Afrika während der EU-Präsidentschaft.

Die Furche: Herr Botschafter, warum brauchte die Europäische Union eine neue Afrika-Strategie?

Georg Lennkh: Ganz einfach, weil es vorher keine Gesamtstrategie gegeben hat. Die Afrika-Strategie umfasst zum ersten Mal alle Bereiche, die in der eu behandelt werden, also nicht nur Entwicklungszusammenarbeit, sondern auch den Sicherheits-und Militärbereich, Menschenrechte und Demokratie, die Bereiche Handel und Wirtschaft sowie Migration -

das ist jetzt alles in einer Gesamtstrategie verbunden. Und was es bisher auch nicht gegeben hat: Dass man ganz Afrika einbezieht; bisher ist Nordafrika immer separat vom Afrika südlich der Sahara behandelt worden.

Die Furche: Eine Strategie für Afrika bedingt auch ein Gegenüber, das für ganz Afrika sprechen kann - gibt es das?

Lennkh: In Afrika gibt es die Afrikanische Union (au), eine Institution, die sich in relativ kurzer Zeit doch sehr gut entwickelt hat. Mittlerweile besitzt die au den Willen und die Fähigkeit, gewisse Aufgaben, insbesondere im Sicherheitsbereich, selbst in die Hand zu nehmen. Aktuelles Beispiel die Krise im Tschad: Die au schickt eine Mission, als politisches Signal, aber auch zur Tatsachenfeststellung.

Die Furche: Von der britischen eu-Ratspräsidentschaft hat Österreich nun die erste Umsetzung dieser Afrika-Strategie geerbt - ist es da von Vorteil, dass wir keine koloniale Vergangenheit in diesem Raum haben?

Lennkh: Das hat Vor-und Nachteile: Dass wir relativ unbekannt sind und nicht das Gewicht eines großen Landes haben, gehört zu den Nachteilen. Ein großer Vorteil ist jedoch, dass wir als vorurteilsfrei gesehen werden, was unsere eigenen Interessen in Afrika betrifft, weil uns keine lange Kolonialgeschichte belastet. Wieder aktuelles Beispiel Tschad: Als Leiter einer eu-Mission dort tue ich mir leichter als etwa ein Franzose, weil dieser als Vertreter einer ehemaligen Kolonialmacht gesehen wird.

Die Furche: Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Afrika-Plänen: von den g8, der Weltbank, der uno...

Lennkh: Ja, das ist durchaus problematisch und das hören wir auch immer wieder von afrikanischer Seite. Die eu hat aber sicher einen besonderen Status. Von der eu fließt das meiste Geld nach Afrika und das bringt natürlich schon ein großes politisches Gewicht mit sich. Die eu kann daher eine Führungsfunktion beanspruchen und, wo es sinnvoll ist, anderen Zusammenarbeit anbieten. Das wird auch von den afrikanischen Partnern so gesehen.

Die Furche: Im Gegensatz zur eu fragt China nicht lange, wie es um die Menschenrechte oder die Demokratie in diesem oder jenem afrikanischen Land bestellt ist, China schaut allein auf den wirtschaftlichen Nutzen - ist das für die eu ein selbst auferlegter Wettbewerbsnachteil?

Lennkh: Das ändert sich langsam: China hat heuer erstmals eine eigene Afrika-Strategie vorgestellt und begonnen, sich diesen Themen anders zu nähern. Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit sind eben wichtig, weil man in einem rechtlichen Chaos auch nicht wirtschaftlich operieren kann. China hat genauso ein Interesse, dass der Sudan einigermaßen geordnet bleibt, damit der Ölexport funktioniert. Schauen Sie nach Nigeria, da sind die Öllieferungen aus dem Delta gestoppt, weil dort Rebellenbewegungen den Ton angeben.

Die Furche: Weg vom Paternalismus hin zu einer Partnerschaft auf Augenhöhe lautet ein wichtiger Grundsatz der Afrika-Strategie - wieweit fortgeschritten ist dieses Verständnis auf europäischer Seite?

Lennkh: Leider noch nicht so weit, wie es sein sollte. Und es wird noch einige Zeit dauern, bis sich die Europäer von der veralteten Einstellung verabschieden: Wir zeigen den Afrikanern, wie es geht. Der Grundansatz für Europa muss doch der sein: Geographische Nachbarn kann man nicht wechseln, wir können nicht wegziehen, die Afrikaner auch nicht - und deswegen muss uns daran gelegen sein, eine möglichst gute, möglichst harmonische und für beide vorteilhafte Beziehung zu haben. Und Sie werden sehen, in den nächsten zehn Jahren wird das Interesse in Europa für Afrika stark steigen - weil auch Afrika um einiges interessanter werden wird: einerseits wegen der Rohstoffe, andererseits, weil Afrika der einzige noch nicht erschlossene Markt ist, und schließlich weil Afrika verstärkt beginnen wird, weltpolitisch mitzureden.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

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