Meditation Yoga - © Florian Zwickl

Achtsamkeit als "Fast Food"

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Achtsamkeit ist zu einem lukrativen Geschäftsmodell geworden. Um eine ernsthafte Triebkraft für persönlichen und sozialen Wandel zu sein, muss sie einen ethischen Rahmen wiedergewinnen.

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Achtsamkeit ist zu einem lukrativen Geschäftsmodell geworden. Um eine ernsthafte Triebkraft für persönlichen und sozialen Wandel zu sein, muss sie einen ethischen Rahmen wiedergewinnen.

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Über Nacht wurde die achtsame Meditation zum Mainstream, sie wird in Schulen, Firmen, Gefängnissen, Behörden, sogar beim US-Militär praktiziert. Millionen ziehen aus ihrer jeweiligen Achtsamkeitspraxis konkreten Nutzen: weniger Stress, bessere Aufmerksamkeit, vielleicht auch ein wenig mehr Mitgefühl. Diese Entwicklung ist zweifellos zu begrüßen, sie hat aber auch Schattenseiten.

Die Achtsamkeitsrevolution scheint ein Allheilmittel für beinahe jede Alltagssorge zu sein. Bücher zum Thema heißen etwa "Achtsam erziehen“, "Achtsam essen“, "Achtsam unterrichten“, "Achtsame Politik“, "Achtsame Therapie“, "Achtsam führen“, "Der achtsame Weg durch die Depression“, "Der achtsame Weg zum Selbstmitgefühl“. Fast täglich zitieren die Medien Studien über den vielfältigen gesundheitlichen Nutzen der Achtsamkeitsmeditation, und wie solch simple Praktiken neurologische Veränderungen im Gehirn zur Folge haben.

Den Popularitätsboom der Achtsamkeitsbewegung macht sich auch eine lukrative Trainings- und Seminar-Industrie zunutze. Smarte Anbieter versprechen, dass das Achtsamkeitstraining die Arbeitseffizienz erhöht, die Fehlzeiten reduziert und die Sozialkompetenz steigert, die für den beruflichen Erfolg entscheidend ist. Einige behaupten gar, dass das Achtsamkeitstraining als eine "revolutionäre Technologie“ fungieren kann, die sogar aus völlig zerrütteten Firmen nettere, mitfühlendere und nachhaltigere Organisationen macht. Allerdings gibt es bislang keine empirischen Studien, die diese Behauptungen stützen.

Buddhistische Verbindungen gekappt

Im Bemühen, ihre Marke zu etablieren, kündigen die Anbieter von Achtsamkeitstraining ihre Kurse oft als "buddhistisch inspiriert“ an. Aber, mitunter im gleichen Atemzug, versichern sie ihren Auftraggebern, dass ihre je spezielle Marke von Achtsamkeit alle Verbindungen und Beziehungen zu ihren buddhistischen Ursprüngen gekappt hätte. Das Entkoppeln der Achtsamkeit von ihrem ethischen und religiösen, buddhistischen Kontext kann da als ein Schachzug verstanden werden, um solch ein Training zu einem marktfähigen Produkt zu machen. Doch die Geschwindigkeit, Achtsamkeit zu säkularisieren und in eine marktgerechte Technik umzuwandeln, führt auch dazu, die alte Praxis ihrer Natur zu berauben, die viel mehr kann als Kopfschmerzen zu lindern, den Blutdruck zu verringern oder Führungskräfte zu unterstützen, zielgerichtet und produktiver zu werden.

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