Achtung: Zimmerrevolution

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In Martin Suters jüngstem Roman "Der letzte Weynfeldt" lässt der Titelheld nach dem Tod seiner hochbetagten Mutter die ererbte 500 m2-Wohnung von einem jungen Architekten "vom Muff der letzten hundert Jahre" befreien und mit Schweizer Designermöbeln bestücken - was nichts an seiner konservativen Weltanschauung ändert. Unsere Unterrichtsministerin Claudia Schmied hat, wie der Standard berichtete, ihr Arbeitszimmer im barocken Palais Starhemberg von Peter Noever modernisieren lassen, mit internationalem Design-Gerät samt Noever-Stehpult. "Es war wie ein Weihnachtsgeschenk", sagte die Ministerin, was verständlich ist, denn schließlich muss sie die 38.000 Euro (522.880 Schilling) nicht aus eigener Tasche bezahlen. Ihr Zimmer von "alter Herrschaftssymbolik" zu befreien, war ihr die Sache allemal wert.

Österreichische Politiker/innen von heute haben zunehmend Probleme mit ihrer Rolle und dem - baulichen - k.u.k. Erbe, um das andere sie beneiden. Vorbei das nonchalante Selbst- und Traditionsbewusstsein, mit dem ein Bruno Kreisky unter dem wohlgefälligen Blick des vorletzten Kaisers fortschrittliche Politik gemacht hat. Mittlerweile sind alle eifrig bemüht, den Geist der alten Mutter Geschichte aus den imperialen Prunkräumen zu verscheuchen, damit wir ihnen radikale Neuerungslust zutrauen. Und zwar, wie Wolfgang Schüssels Beispiel zeigt, unabhängig vom politischen Lager. Keine Palastrevolution ist angesagt, bloß eine Zimmerrevolution.

Wer sich so klein macht, nimmt sich zugleich sehr wichtig. Und begibt sich in die Gefahr der Anbiederung. Der selige Minister Piffl-Percevic hat sich über den frechen Dichter noch empört - auf Schmieds neuem Teppich liest man Thomas Bernhards Verdikt: "Wien ist eine fürchterliche Genievernichtungsmaschine." Damit der Gast weiß, woran er hieramts ist?

Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin in Wien.

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