Ägyptischer Augendialog

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Antike und moderne Porträts im Papyrusmuseum.

Wäre der österreichische Kunst-Staatssekretär im Ursprungsberuf nicht Schauspieler, sondern Porträtmaler, und wollte in Kairo seine Bilder ausstellen, hätte er einen gewaltigen Nachteil gegenüber Prof. Achmed Navar, dem stellvertretenden ägyptischen Kulturminister. Denn der Österreicher könnte nicht auf eine 2000 Jahre alte Tradition als Inspirationsquelle zurückgreifen. Er wäre nur der Maler Morak und damit vermutlich auf verlorenem Posten. Ahmed Navar, Jahrgang 1945, zeigt bis 28. April 2006 im Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek, was ein Künstler mit dem Erbe der Fayum-Porträts machen kann. Fayum-Porträts heißen alle circa 1000 erhaltenen ägyptischen Mumienporträts aus römischer Zeit, also vom 1. bis 4. nachchristlichen Jahrhundert. Da hatten die ägyptischen Priester ihren Einfluss schon verloren, der noch in der Ptolemäer-, also Griechenzeit so beherrschend war, dass hochmögende Tote eine Totenmaske bekamen, die sie alle aussehen ließ wie Osiris. Denn jeder Tote hoffte auf das Schicksal des Osiris, den seine Frau und Schwester Isis wieder zum Leben erweckte hatte. Daher die Goldmasken und die vergöttlichte Darstellung.

Mit den Römern kam eine neue Zeit, sogar im Totenkult. Verstorbene sollten im Jenseits individuell identifizierbar sein. Daher bekamen sie ein richtiges Porträt, entweder direkt auf die Leinenbinden gemalt oder auf eine Holztafel, die in Gesichtshöhe auf dem bandagierten Leichnam angebracht wurde. Das machte die Auffindung in Grabhöhlen leichter für die Angehörigen, die in Anwesenheit ihrer Verstorbenen - sehr zum Erstaunen der Römer - zu speisen pflegten. Wien besitzt seit dem Ägyptomanen Erzherzog Rainer vier solche Porträts; ein privater Leihgeber ergänzte für die Ausstellung weitere.

Ahmed Navar entdeckte als Leiter der Altertumsabteilung in Kairo die Magie dieser Porträts und war gefangen von ihrer Lebendigkeit. Besonders die Augen ließen ihn nicht mehr los, wurden die Toten doch stets mit offenen Augen, als Lebende, dargestellt. Aus einem Gefühl der Kontinuität schuf er die Porträts neu: mit Bleistift und schwarzer Tusche. Er entriss sie dem Totenkult, machte sie zu selbständigen Porträts von Menschen. Er "entzog" ihnen die Farben und stattete die Gesichter mit "heutigen" Zügen aus, bezog andererseits uralte Symbole ein: etwa das Schiff und die Sonne. In pharaonischer Vorstellung fuhr jeder Verstorbene in der Nacht dem Licht entgegen. Indem er geometrische Formen und Skalen einbezog, wirken die Dargestellten eingezwängt in die moderne technisierte Welt. Wie sehr es ihm auf die erkennbare Verknüpfung mit der Vergangenheit ankommt, beweisen die in jedes Porträt als Briefmarke eingefügten antiken Vorbilder. Ist eine große Vergangenheit Last oder Glück? Für Ahmed Navar fällt die Antwort eindeutig aus: Gespenstisch ragt die Geschichte in die Gegenwart, und doch vermag sie den künstlerischen Funken über Jahrtausende herüberzusenden.

Mumiengesichter

Antike Porträts und neue Bilder

von Ahmed Nawar

Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek

www.onb.ac.at/sammlungen/papyrus

Heldenplatz, Neue Burg, 1010 Wien

Bis 28. April Mo, Mi-Fr 9-17 Uhr

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