Ästheten gegen Anästhesisten

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Kulturkampf in Kärnten: Die Klagenfurter Galeristin Irmgard Bohunovsky reitet gegen Jörg Haiders Kulturpolitik.

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Kulturkampf in Kärnten: Die Klagenfurter Galeristin Irmgard Bohunovsky reitet gegen Jörg Haiders Kulturpolitik.

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Missliebige Kulturinstitutionen werden finanziell ausgehungert: Dieser kulturpolitische Albtraum ist in Kärnten bittere Realität. Das Gehörlosentheater Arbos, die Kulturinitiative Unikum, das Kärntner Autorentheater und zuletzt die Studiobühne Villach: ihnen allen wurden seitens des Landes die Subventionen ganz oder zu einem großen Teil gestrichen. Verantwortlich dafür ist niemand geringerer als Landeshauptmann Jörg Haider, Landeskulturreferent und einfaches Parteimitglied der FPÖ. "Neue kulturelle Akzentsetzungen", wird diese Politik offiziell umschrieben; die Kulturabteilung beim Amt der Landesregierung verweist auf Förderungen von Sommertheater (K.L.A.S. auf der Heunburg, Stift Griffen und Scherzo im Klagenfurter Konzerthaus) sowie auf Zuwendungen im Bereich der Musik, etwa für den Kärntner Blasmusikverband, das Festival "Jazz over Villach 2000" und für das Kärntner Sinfonieorchester.

"Wer kritisch dem Kulturreferenten gegenübersteht, bekommt keine Förderung", mischte sich vorige Woche auch der Kärntner SPÖ-Vorsitzende Peter Ambrozy in den Konflikt zwischen Künstlern und Regierung ein. Dabei spielten die Kärntner Sozialdemokraten kulturpolitisch auch eine zwielichtige Rolle, wie das Beispiel Villacher Studiobühne zeigt: Vorige Woche musste das Alternativtheater wegen der Streichung der Subvention seitens des Landes in der Höhe von 1,3 Millionen Schilling Konkurs anmelden. Glaubt man der ehemaligen, im April gefeuerten Leiterin Ingrid Ahrer, so sei Haider durchaus bereit gewesen, dem Theater zu helfen, vielmehr wollte die SP-regierte Stadt Villach nichts zum Überleben der Studiobühne beitragen. Dieses parteipolitische Hickhack zeigt, welch rauher Wind der Kunst in Kärnten entgegenschlägt - unabhängig von Kulturreferent Haider und seinem Berater, dem rechtslastigen Journalisten Andreas Mölzer.

Dieses spezielle Klima hat auch Irmgard Bohunovsky schon zu spüren bekommen: Sie verlegte ihre Klagenfurter Galerie Carinthia vom Erdgeschoß in den ersten Stock, weil sie die permanenten Anfeindungen "kunstinteressierter" Passanten nicht mehr über sich ergehen lassen wollte. Als Unikum heuer sämtliche Landessubventionen gestrichen wurden, erklärte sich Bohunovsky bereit, einen Teil der Sammlung ihrer Galerie für eine Verkaufssaustellung zugunsten der Kulturinitiative zur Verfügung zu stellen. Von 17. bis 19. August veranstaltet die umtriebige Galeristin das Symposion "Was aber ist das Schöne?" im Stift Ossiach, an dem unter anderen der deutsche Kulturphilosoph Bazon Brock und der Wiener Schriftsteller Julian Schutting teilnehmen werden.

Die Furche: Wird ein Symposion über das auf den ersten Blick rein ästhetische Thema "Was aber ist das Schöne?" der gespannten kulturpolitischen Lage in Kärnten gerecht?

Irmgard Bohunovsky: Es geht darum, im ästhetischen Konflikt den politischen sichtbar zu machen. Ästhetik ist ja nicht nur die Lehre vom Schönen - oder wenn Sie wollen: die Lehre vom Hässlichen - sondern die Wahrnehmung des Schönen und Hässlichen.

Es stehen sich zwei Fronten gegenüber: Die die wach sind, wahrnehmen, mit den Augen hören und den Ohren sehen, wie das in der barocken Literatur so schön heißt, und die anderen, die sich betäuben lassen und betäubt werden. Die ganze Event-Kultur, "Das Leben ist ein Hit" - das sind ja Betäubungsmanöver. Dem Ästheten steht ja nicht der unästhetische, sondern der anästhetische Mensch gegenüber, der betäubte. Betäubt kann man von allem Möglichen sein, auch von einem Führer...

Die Furche: Also gibt es sehr wohl Bezüge zur kulturpolitischen Gegenwart Kärntens...

Bohunovsky: Symposion heißt ja nichts anderes als Zusammenhocken und die Welt bereden und bedenken. Es geht darum, Immunkräfte zu stärken, Gegenstrategien zu entwickeln. Es geht darum, den Kulturdarwinismus, der jetzt zu herrschen scheint, nicht zu bejammern, sondern einfach einmal wahrzunehmen und wieder zu sich selbst zu finden. Da werden all die "Einzelsteher", wie Elfriede Jelinek sie kürzlich genannt hat, merken, dass es auch andere Einzelsteher gibt - und dann kann sich ein Einzelsteher auch wieder einmal hinlegen. Das war sehr schön gesagt.

Jetzt formiert sich die andere Front; Leute kommen zusammen und werden als Gemeinschaft sichtbar. Es passiert ja sehr viel in Kärnten, der Untergrund lebt ja, aber nach außen merkt man das nicht.

Die Furche: Im Klartext: Das Symposion ist gegen die Politik Jörg Haiders und seines Kulturberaters Andreas Mölzer gerichtet.

Bohunovsky: Die beiden sind mir nicht so wichtig, dass ich so viel Energie auf sie verschwenden würde. Aber natürlich ist das Thema politisch besetzt. Man kann ein Virus am besten bekämpfen, indem man seine eigenen Immunkräfte stärkt. Haider versucht ja verzweifelt, in der Kunstszene Fuß zu fassen - und das kann er nur dort, wo diese von ihm abhängig ist. Weil er aber draussen stehen gelassen wird, setzt er auf die Eventkultur, wo es überhaupt nicht um Kunst geht, sondern darum, dass er seinen Auftritt hat.

Ich habe nichts gegen Eventkultur, ich habe nur dagegen etwas, dass die kritischen Stimmen in diesem Lande unterdrückt werden, indem die Politik die Subventionen auf null setzt oder stark kürzt.

Die Furche: Haben Sie für Ihr Sym-posion auch Subventionen vom Land Kärnten erhalten?

Bohunovsky: Ich habe beim Land gar nicht angesucht. Inzwischen sind aber kulturpolitische Quantensprünge erfolgt: Die Stadt Villach und die Universität sind von sich aus gekommen und haben einen Beitrag geleistet. Von der Wirtschaft habe ich nur Absagen bekommen, außer von der Kärntner Sparkasse, die immer sehr unabhängig in kulturpolitischen Dingen agiert. Die anderen haben alle Angst vor den Kunden - es hat ja doch eine erkleckliche Zahl von Leuten diese Politk gewählt.

Die Furche: Und Sie versuchen, dieser Politik entgegenzutreten...

Bohunovsky: Es geht darum, den anderen nicht das Feld zu überlassen. Gottfried Keller hat einen Satz notiert: Resignatio ist keine schöne Gegend. Dieser Satz hat mich sehr beeindruckt. In dem Augenblick, in dem man resigniert, gibt es keine schöne Gegend mehr - ich möchte aber in einer schönen Gegend leben. Man darf die Gestaltung des Klimas nicht den anderen überlassen, man darf aber auch nicht moralisieren und in Eindimensionalität verfallen.

Die Furche: Wie wird der Kulturkampf in Kärnten ausgehen?

Bohunovsky: Wie es weitergeht, kann niemand sagen, aber man muss die soziale Dimension dessen, was jetzt geschieht, sehen. Haider kann nicht die Kunst umbringen, aber er kann vieles an dieser Gesellschaft kaputtmachen. Wenn ein krachlederner Holzbalkon von der Mehrheit als schön empfunden wird, dann ist das eben so. Dass kritische Kultur von der Mehrheit abgelehnt wird, ist ziemlich normal, das passiert woanders auch. Wenn sie aber nicht mehr möglich gemacht wird, dann wird es bedenklich. Überall dort, wo die Politik Deutungshoheit in künstlerischen Fragen gewinnt, geht es der kritischen Kultur schlecht.

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