Afrika aus einem anderen Blickwinkel

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Herbert Stepic, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen Bank International, trug über 25 Jahre lang afrikanische Kunstwerke zusammen. Die Sammlung, die derzeit im Bank Austria Kunstforum ausgestellt ist, gewährt dem Besucher Einblicke in eine unterschätzte Kultur.

Wiege der Menschheit und verlorener Kontinent, Impulsspender für die europäische Moderne und Produzent von als primitiv abgestempelten Kunstwerken, reich an Bodenschätzen und von einer großteils armen Bevölkerung bewohnt - Afrika scheint aufgespannt zwischen unüberbrückbaren Gegensätzen. Freilich sind dies alles Zuschreibungen, die aus einer europäisch-westlichen Perspektive stammen, wobei leicht einsichtige Fakten neben Wertungen nach hiesigen Maßstäben aneinandergereiht sind. Es wäre also durchaus an der Zeit, die Blickrichtung einmal umzudrehen, und Afrika von sich erzählen zu lassen, Afrika sich selbst vorstellen zu lassen und diesen Darstellungen aufmerksam mit dem europäischen Auge zu folgen.

Hochkultur südlich der Sahara

Eine wunderbare Möglichkeit, einer derartigen Einladung nachzukommen, bietet die von Herbert Stepic, dem Vorstandsvorsitzenden der Raiffeisen Bank International, in über einem Vierteljahrhundert zusammengetragene Sammlung afrikanischer Kunstwerke, die derzeit im Bank Austria Kunstforum gezeigt wird. Die Schau bietet nicht nur einen repräsentativen Querschnitt, sondern kann auch mit einer Auswahl von Terrakotta-Köpfen aus der sogenannten Nok-Kultur aufwarten. Diese nach einem zentralnigerianischen Dorf benannte Kultur entstand etwa 500 v. Chr. und hielt sich rund ein Jahrtausend lang. Zweifelsfrei eine Hochkultur südlich der Sahara, wenngleich sich die leitenden künstlerischen Zielsetzungen völlig von denjenigen der zeitgleichen griechisch-römischen Antike unterscheiden. Ging es hier in den Porträtbüsten darum, ein erkennbares Abbild der betreffenden Person zu schaffen, so umgingen dies die afrikanischen Künstler nachdrücklich, um mit keinem Vorwurf der Hexerei konfrontiert zu werden. Wie naturalistisch zu arbeiten sie aber trotzdem in der Lage waren, zeigen die ebenfalls präsentierten Tierplastiken.

Die Begegnung mit diesen Objekten aus der Sammlung Stepic führt unmittelbar vor Augen, dass ein großer Unterschied zwischen der durch die europäische Moderne gezähmten afrikanischen Skulptur - wenn man an den Kubismus oder die Brücke-Künstler des Expressionismus denkt - und den "unverfälschten“ Originalen besteht. Die Eingemeindung afrikanischer künstlerischer Vorgaben in die europäische Kunstentwicklung, die man durchaus parallel zu Ausbeutungsmechanismen in vielen anderen Bereichen sehen kann, führte notgedrungen zu einer Ästhetisierung. So wie wir auch vor unseren althergebrachten Heiligenfiguren die Knie nicht mehr einfach aus magischer Ehrerbietung beugen, so ließ diese Übertragung in die Region nördlich des Mittelmeeres alle religiösen Aspekte, vom Fetisch bis zum Ahnenkult, an den südlichen Ufern zurück. Bei den hier gezeigten Objekten erlebt man all diese Aspekte mit, auch wenn sich die Figuren nicht mehr in ihrem ursprünglichen Umfeld, sondern in einem Ausstellungsraum befinden, und auch wenn man als Besucher diese religiösen Anknüpfungspunkte nicht mit konkreten Namen versehen kann.

Zwar zeigen sich die Objekte dieser Ausstellung den gelernten Europäern in erster Linie in ihrer Fremdartigkeit - die religiösen Systeme, in denen sie fest verankert sind, lassen sich aus einem säkularisierten Blickwinkel kaum mehr einfangen. Aber man kann zumindest versuchen, sie ansatzweise nachzuvollziehen, und dann gilt, was Armand Duchâteau in einem seiner Beiträge im umfassenden Begleitkatalog schreibt: "Durch sein schöpferisches Talent verwandelt der Künstler das einfache Kulturobjekt in ein universelles Kunstwerk, das den Betrachter über alle kulturellen Verschiedenheiten hinweg in seinen Bann zieht.“

Überzeugende Harmonie

Für aufmerksame Betrachter ergibt sich daraus mühelos die Verbindung zwischen den unnatürlichen Proportionen der menschlichen Figuren und der Auffassung vom Menschen, den diese Künstler hatten. Überdimensionierte Köpfe zeugen dann nicht mehr von gestalterischer Schwäche, sondern vom Stellenwert des Kopfes in der damit verbundenen Anthropologie. Dass trotz dieser Verschiebungen der Größenverhältnisse die Figuren als Ganze eine überzeugende Harmonie ausstrahlen, führt die Betrachter zurück zur Urtugend des Staunens.

Afrika. Afrique. Africa. Die Sammlung Stepic

Bank Austria Kunstforum Wien

Freyung 8, 1010 Wien

bis 1. 10., tägl. 10-19, Fr. bis 21 Uhr

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