"Afrika heißt MENSCHEN!"
Wie wird man die Altlasten einer stereotypischen Abwertung Afrikas los, wie überwindet man den Afrikanismus? Ein Plädoyer für andere "Afrika-Lektüren" am Beispiel neuer Bücher.
Wie wird man die Altlasten einer stereotypischen Abwertung Afrikas los, wie überwindet man den Afrikanismus? Ein Plädoyer für andere "Afrika-Lektüren" am Beispiel neuer Bücher.
Im Jahr 1975 schrieb der nigerianische Schriftsteller Chinua Achebe zur Wahrnehmung seines berühmten Romans "Alles zerfällt" in den USA: "Afrikaner sind in derselben Weise Menschen, wie Amerikaner, Europäer, Asiaten und so weiter Menschen sind. Dass man das überhaupt betonen muss, gehört zu den Altlasten einer uns durch die Fremdwahrnehmung des Westens aufgezwungenen, stereotypischen Abwertung Afrikas." Das schrieb Achebe fast zwei Jahrzehnte nach Erscheinen seines Romans. Noch einmal zwei Jahrzehnte später sagte Achebe in einer Rede vor der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD):"Afrika, das sind Menschen, Menschen aus Fleisch und Blut. Haben Sie das bedacht? Afrika heißt Menschen!"
Afrika heißt auch Lektüren, aber gerade die europäischen Texte zählen zu den dauerhaften "Altlasten". Analog zur ökonomischen Nord-Süd-Relation befördern sie die Hegemonie in den symbolischen Beziehungen, das jedenfalls hört man von vielen afrikanischen Autoren. Sie sprechen von der fortgesetzten Gewalt französischer Arroganz oder teutonischer Überheblichkeit, man kann es hier auch als Afrikanismus bezeichnen - Europa definiert Afrika.
Geschichte und Gegenwart
Ein großer Schritt ist getan, wenn die Historiker den Kontinent Afrika - den Hegel noch als geschichtslos bezeichnete - selbstverständlich nicht vergessen. Die Neue Fischer Weltgeschichte etwa versteht sich als Geschichte von Räumen und ihren Wechselwirkungen und erscheint in 21 Bänden, zumindest zwei davon sind Afrika gewidmet (Adam Jones: Afrika bis 1850, Bd. 19, Bd. 20 Afrika ab 1850 ist in Planung).
Der zivilisatorische Horizont Afrikas ist weit, die Zeittafel zeigt, dass es schon vor 12.000 Jahren Töpferei und vor 3000 Jahren Eisentechniken gab. Das konkrete Wissen über Geschichte, also die politischen Reiche und ihre Weltbeziehungen, beginnt nach der Zeitenwende. Diese historische Lektüre liefert den Stoff leider oft etwas additiv, dafür diskutiert der Autor Adam Jones in seiner Einleitung zu Band 19 interessante Fragen der Methodik und macht Hoffnung auf eine Erweiterung der Quellenlage. Das Übergewicht europäischer (anglophoner) Quellen in der Afrika-Historiographie könnte ausgeglichener werden, auch wäre mehr Mut zum Ohr angesagt, ist doch gerade in Afrika die orale Überlieferung das Dokument der Geschichte.
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