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Zur ersten Retrospektive von Elke Krystufek.

Sehen und gesehen werden: Wer die erste große Personale von Elke Krystufek in der Sammlung Essl besucht, betritt ein exponiertes Gelände. In ihren zahlreichen Selbstporträts richtet die Künstlerin ihre Blicke, mitunter auch das Auge einer Kamera auf die Besucher der Ausstellung. Auf dem Weg durch eine multimedial arrangierte Landschaft vermitteln Gemälde, Fotografien, Collagen, Installationen und Performance-Videos einen umfassenden Einblick in das Schaffen der Österreicherin, die seit dreizehn Jahren im internationalen Kunstbetrieb agiert. Im Laufe dieser Karriere ist die heute 32-jährige zu einer der erfolgreichsten und meist diskutierten Vertreterinnen der heimischen Gegenwartskunst avanciert.

Körperkunst

Seit ihren Anfängen an der Wiener Akademie für bildende Kunst hat sich Krystufek daran gemacht, ihr Leben zum Kunstwerk zu stilisieren, und dabei wiederholt für Aufregung und Irritation gesorgt. 1990 ritzte sie sich bei ihrer ersten Performance mit einem Stanley-Messer blutige Bilder in die Haut, 1994 schritt sie bei einer weiteren Aktion in der Wiener Kunsthalle gar zur öffentlichen Selbstbefriedigung. Im Rahmen der aktuellen Retrospektive führen solche "Anstößigkeiten" lediglich die Stringenz in Krystufeks künstlerischer Entwicklung vor Augen. Die Künstlerin hat das Spiel mit den Gesetzen der Aufmerksamkeit perfektioniert und ein Programm oder, wie sie selbst sagt, eine "Formel" gefunden, welche die Grundlage für immer neue Provokationen bereithält.

Das Ausloten von Lust und Schmerz oder die radikale Auseinandersetzung mit dem Körper verbindet das Werk Krystufeks mit Ansätzen des Wiener Aktionismus, der sich in den sechziger Jahren um eine Versöhnung von Kunst und Leben, um die heroische Verwirklichung eines authentischen Daseins bemüht zeigte. Die Arbeiten von Krystufek hingegen zerstören mit ihren endlos fortschreitenden Selbstbespiegelungen die Vorstellung von Authentizität: Das Private und das Öffentliche, Entblößung und Verkleidung sind hier nicht mehr voneinander zu trennen. Lässt sich in den Tabubrüchen der Wiener Aktionisten unschwer die Rebellion gegen eine verklemmte und repressive Gesellschaft erkennen, bewegt sich Krystufek in einem anderen sozialen Bezugsfeld. Für sie fungiert die Gesellschaft des Spektakels, die scheinbar permissive Mediengesellschaft als Nährboden der Kunst: eine Gesellschaft der "Outings" und Talk-Shows, eine Gesellschaft, die dem Prinzip Prominenz verfallen ist, eine Gesellschaft, die von medialen Bildern und Diskursen zunehmend dominiert wird und in der das Authentische vor lauter Intimität verloren gegangen ist. Bei Krystufek wird das fluktuierende Selbstbild zum medial konstruierten Text, der von der Internalisierung dieser gesellschaftlichen Dynamik zeugt. Widerstand, Rebellion oder ironische Distanzierung erfolgen hier innerhalb des Bezugssystems, durch die Konfrontation der eigenen Bildgeschichte mit kulturellen Symbolen und das Infragestellen von deren inhärenten Codierungen.

Das theorieverliebte Werk Krystufeks eignet sich gut zur Illustration zeitgenössischer Gender-Debatten und erscheint zumindest im weitesten Sinn in einem feministischen Kontext. Für den Kunsthistoriker Peter Gorsen verdeutlicht es die selbstbewusste Repräsentation des weiblichen Körpers, dessen kulturell "obszöne" Dimension als Schutz und Waffe instrumentalisierbar ist.

Exhibitionismus

Krystufek macht ihren Körper aber auch zur Projektionsfläche für die Betrachter, und gerade in diesem Spiel mit den Rezeptionsmöglichkeiten liegt der größte Reiz ihrer Arbeit. Es ist ein anarchisches Spiel mit "Regeln der Kunst", welche der Soziologe Pierre Bourdieu anhand der Literatur des 19. Jahrhunderts exemplarisch beleuchtet hat. Die Besucher jedenfalls sind herausgefordert. Bei so viel Exhibitionismus werden sie zwangsläufig zu Voyeuren gemacht. Wer sich dabei ertappt fühlt, ist mehr oder weniger selbst schuld.

Elke Krystufek: "Nackt & Mobil"

Bis 27. April

Werkschau in der Sammlung Essl Kunst der Gegenwart

An der Donau-Au 1

3400 Klosterneuburg

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