Alban Berg - © Foto: Johann Jaritz cc

Alban Bergs Oper "Lulu": Der diskrete Charme der Peep-Show

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Alban Bergs Zwölftonoper "Lulu" in der zweiaktigen Originalfassung an der Wiener Staatsoper: niveauvoller Durchschnitt.

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Alban Bergs Zwölftonoper "Lulu" in der zweiaktigen Originalfassung an der Wiener Staatsoper: niveauvoller Durchschnitt.

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Verkörperung der Lust, das Prinzip des Weiblichen; Opfer, Beute, Racheengel und Frau, die ihren Weg geht: Die Lulu in Alban Bergs gleichnamiger Oper ist eine der vielschichtigsten Figuren des Musiktheaters. Mensch oder Mythos? - zu fassen ist diese Figur kaum: Selbst ihr Name wechselt mit dem jeweiligen Liebhaber oder Ehemann. Lulu, Nelly oder Eva - hilflose Versuche, sie mittels eines Wortes dingfest zu machen. Bei der jüngsten Premiere in der Wiener Staatsoper hat Regisseur Willy Decker dem männervertilgenden Vamp den Vorzug gegeben.

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Mit Anat Efraty steht eine letztlich überzeugende Lulu auf der Staatsopernbühne: manchmal etwas zu leise, dennoch stets stimmlich präsent, egal ob hochdramatisch oder in komplizierten Zwölfton-Koloraturen. Schauspielerisch liefert die israelische Sopranistin eine ausgezeichnete Leistung ab, auch wenn sie weniger vor knisternder denn vor schaumgebremster Staatsopern-Erotik sprüht.

Im Halbrund einer überdimensionalen Peep-Show beobachtet das Publikum sowie eine große Statistenschar mit Hut und aufgestellten Mantelkrägen, wie Lulu einen Mann nach dem anderen ins Verderben reitet: Den biederen Medizinalrat (Klaus Ofczarek) treibt sie in den Herzinfarkt, den lebenslustigen Maler (Torsten Kerl) in den Selbstmord. Ihren Erfinder Dr. Schön (Franz Grundheber), dem sein Geschöpf über den Kopf gewachsen ist, erschießt sie eigenhändig. Gräfin Gerschwitz (Graciela Araya) infiziert sich ihretwegen mit der Cholera und verfällt dem Wahnsinn. Die Bestrafung überläßt die Männerwelt am Ende nicht ihrem exponiertesten Vertreter Jack the Ripper, sondern sie legt selbst Hand an: Die anonyme Masse der Männer, die in die Arena der Lüste herabsteigt, ersticht Lulu gleich dutzendfach. Dieses Bild ist einer der stärksten Momente einer Aufführung, die nur selten der Durchschnittlichkeit - wenngleich auf relativ hohem Niveau - entkommt.

Daß Alwa (Jorma Silvasti) nicht erschlagen wird, sondern mit dem Bankrott davonkommt, liegt daran, daß in Wien die unvollendete Fassung gespielt wird. Als Alban Berg 1935 frühzeitig starb, lehnten Arnold Schönberg, Anton Webern und Alexander von Zemlinsky das Angebot von Bergs Witwe Helene ab, den fragmentarischen dritten Akt fertigzustellen - wohlgemerkt nicht aus künstlerischen Gründen. Trotzdem unterband Helene Berg von da an jeden Versuch, das Werk zu komplettieren. Erst Friedrich Cerha hat eine vollständige Fassung komponiert, die 1979 in Paris uraufgeführt wurde.

Musikalisch ist diese "Lulu" dennoch eine runde Sache, vielleicht abgesehen von den gesprochenen Passagen am Ende des zweiten Aktes. Das Staatsopernorchester, vulgo Wiener Philharmoniker, sorgt unter Michael Boder mit der gebotenen Strenge für die Geschlossenheit der Bergschen Zwölftonreihen.

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