„Albert Schweitzer kam nicht nach Afrika, um zu bekehren“

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Albert Schweitzer ist der Erzvater der Überlegungen für einen nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen der Natur. Darum ist der Friedensnobelpreisträger 1952 heute modern wie nie: So sieht es auch Jeroen Krabbé, der Darsteller des „Urwalddoktors“ und Friedensapostel im neuen Kinofilm. Das Gespräch führte Otto Friedrich

Kinogehern ist er als General Koskov, Bösewicht im James-Bond-Film „Der Hauch des Todes“ (1987), oder als Regisseur der Verfilmung des Harry-Mulisch-Romans „Die Entdeckung des Himmels“ (2001) ein Begriff. Nun spielt der Niederländer Jeroen Krabbé den Albert Schweitzer im Film.

Die Furche: Können Sie die Magie Afrikas, der Albert Schweitzer auch erlegen ist, nachvollziehen?

Jeroen Krabbé: Ich habe 1988 mit Barbara Hershey, die jetzt die Frau von Schweitzer darstellt, in Simbabwe beim Anti-Apartheid-Film „Zwei Welten“ mitgespielt. Da habe ich das Gefühl Afrikas kennengelernt. Diese völlige Andersartigkeit zum Westen. Albert Schweitzer war klug genug, zu erkennen, dass man die Lebensweise der Afrikaner nicht ändern kann – wie es die Missionare Anfang des 20. Jahrhunderts versucht haben. Schweitzer ist nicht nach Afrika gekommen, um zu bekehren, sondern um Menschen zu heilen, so wie sie waren.

Die Furche: Wie haben Sie die Persönlichkeit Schweitzers entdeckt?

Krabbé: Da war nicht einfach. Das Drehbuch war mehr eine Geschichtslektion und hat mich nicht befriedigt. Ich habe dann die wunderbare Schweitzer-Biografie von James Brabazon gelesen und da eine Menge über ihn gelernt. Dann habe ich zum Regisseur gesagt: „Mir gehen da die inneren Kämpfe von Schweitzer ab.“ Da hat Gavin Miller Teile umgeschrieben; so wurde die Szene hinzugefügt, in der Schweitzer die Krankenschwestern in der Nacht aufsucht und sagt: „Wen hat Jesus geliebt? Nur eine einzelne Person oder die ganze Welt?“ So wird sein Zweifeln auch im Film thematisiert. Das macht Schweitzer viel menschlicher und ich konnte mich ihm Schritt für Schritt nähern. Als ich bei den Dreharbeiten Perücke und Helm aufsetzte und den Schnurrbart anklebte, schaute ich in den Spiegel und sagte: „Das bin nicht ich.“ Wenn ich meine Hausaufgaben gemacht habe und dann das Äußere dazufüge, bin ich nicht mehr ich selbst. Ich hatte auch die schäbigen Kleider an und sagte zur Garderobiere: „Wasch meine Kleider nicht. Sie sollen dreckig sein, ich will stinken.“ Schweitzer war ja 24 Stunden im Dschungel, es gab keine Wäscherei … Auf diese Weise gelingt es, die Persönlichkeit aus dem Inneren heraus bis zu den Äußerlichkeiten aufzubauen.

Die Furche: Wussten Sie viel über Schweitzer?

Krabbé: Ich bin Jahrgang ’44. Als ich zehn war, stand Schweitzer am Höhepunkt seiner Karriere – jeder hat ihn gekannt. Es war etwa so, wie heute jeder Michael Jackson kennt. Er kam oft nach Holland, gab Orgelkonzerte und war ein Freund von Königin Juliana, die ihm Geld für Lambarene gegeben hat.

Die Furche: Hat der Film auch einen Bildungsaspekt?

Krabbé: Der ist offensichtlich. Es geht ganz stark um die Ehrfurcht vor dem Leben, das das wichtigste Motto seines Lebens war. Und das hat eine direkte Verbindung ins Heute und zum Zustand der Welt. Dass wir in dieser Welt zusammenleben müssen anstatt einander niederzuschießen, das alles hat mit Ehrfurcht vor dem Leben zu tun. Diese Ideen, die 100 Jahre alt sind und auf die damals niemand hören wollte, sind heute sehr wertvoll. Das gilt auch für die jungen Leute: Die nächste Generation wird eine komplett zerstörte Umwelt vorfinden, wenn wir nicht schleunigst etwas tun. Diese Kinder haben einen völlig anderen Blick auf die Erde, auf das Leben, denn sie sehen, dass diese Natur zu Ende geht, wenn wir so weitermachen. Al Gore warnt uns davor, auch Obama tut das. Und Albert Schweitzer ist der Erzvater dieser Überlegungen. Und deshalb ist er auch heute eine so bedeutende Persönlichkeit.

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